China 17.04.2015

Willkürurteil gegen Journalistin Gao Yu

Gao Yu im November 2009 in Prag. © picture alliance / dpa

Reporter ohne Grenzen ist empört über das harte Urteil eines chinesischen Gerichts gegen die Journalistin Gao Yu. Ein Gericht in Peking verurteilte die prominente Regimekritikerin am Freitag wegen Geheimnisverrats zu sieben Jahren Haft.

„Gao Yu ist das Opfer eines politischen Prozesses, dessen Ergebnis von Anfang an feststand“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Dieses Urteil ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Kommunistische Partei Chinas gnadenlos jeden bestraft, der ihre Alleinherrschaft kritisiert. Gao Yu hat sich nichts zuschulden kommen lassen und muss sofort freigelassen werden.“

Gao verschwand Ende April 2014 kurz vor ihrer geplanten Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung an die Niederschlagung der Studentenproteste von 1989. Zwei Wochen nach ihrem Verschwinden wurde im chinesischen Staatsfernsehen CCTV mit einem offenkundig unter Zwang abgelegten Schuldeingeständnis vorgeführt. Gao hatte die Staatsanwaltschaft aufgefordert, das Geständnis nicht im Prozess zu verwenden, weil sie es nur aufgrund von Drohungen gegen ihren Sohn Zhao Meng abgelegt habe.

Die Behörden legten Gao zur Last, sie habe sich ein geheimes Parteidokument verschafft und an eine Webseite im Ausland weitergegeben. Dabei dürfte es sich um das sogenannte Dokument Nr. 9 handeln, das vor den Gefahren universeller Menschenrechte und eines „westlichen“ Verständnisses von Pressefreiheit für die Herrschaft der Kommunistischen Partei warnt. 

Eine der renommiertesten Journalistinnen Chinas 

Gao Yu gehört zu den renommiertesten Journalisten Chinas und wurde mehrmals mit internationalen Auszeichnungen geehrt. In der Vergangenheit war sie unter anderem stellvertretende Chefredakteurin der von Dissidenten herausgegebenen Economics Weekly. Zuletzt arbeitete sie als freie Autorin für verschiedene Internetveröffentlichungen und Rundfunksender, darunter auch die Deutsche Welle.

Gao saß schon in der Vergangenheit mehrmals in Haft: Als Unterstützerin der Proteste von 1989 wurde sie kurz vor der gewaltsamen Niederschlagung der Bewegung verhaftet und verbrachte danach 15 Monate im Gefängnis. 1993 kam sie – schon damals wegen Verrats geheimer politischer Dokumente – für mehr als sechs Jahre in Haft. Die jüngste Festnahme Gaos im vergangenen April reihte sich in eine Repressionswelle vor dem 25. Jahrestag der gewaltsamen Niederschlagung der Studentenproteste von 1989 ein.

ROG begrüßt China-Kurswechsel der Deutschen Welle

Reporter ohne Grenzen begrüßt, dass die Deutsche Welle als Reaktion auf das heutige Urteil gegen Gao Yu angekündigt hat, die Verhandlungen über eine geplante Zusammenarbeit mit dem chinesischen Staatsfernsehen CCTV auszusetzen. ROG hatte die Kooperationspläne kritisiert, weil CCTV Teil des Repressionsapparates gegen kritische Journalisten ist.

Nach öffentlicher Kritik war die Deutsche Welle in den vergangenen Monaten schrittweise von ihren ursprünglichen Ankündigungen abgerückt: Noch im September 2014 hatte sie etwa in Pressemitteilungen von einer „Vertiefung der Zusammenarbeit“ mit CCTV und „möglichen Koproduktionen im Bereich Musik und Wirtschaft“ gesprochen. Im Dezember dagegen sprach DW-Intendant Peter Limbourg in einem Interview nur noch davon, dass sich die Koproduktionen auf eine mediale Begleitung des Bundesjugendorchesters und ein gemeinsames Projekt beim Beethovenfest Bonn beschränken sollten.

Die chinesische Führung geht seit dem Amtsantritt von Staats- und Parteichef Xi Jinping mit neuer Härte gegen Dissidenten und kritische Journalisten vor. Auf internationale Empörung stieß etwa die Verurteilung des uigurischen Bloggers und Wirtschaftswissenschaftlers Ilham Tohti zu lebenslanger Haft wegen „Separatismus“. Insgesamt sitzen in China derzeit mindestens 29 Journalisten und 73 Blogger wegen ihrer Arbeit in Haft – so viele wie in keinem anderen Land der Welt.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht China auf Platz 176 von 180 Ländern. 



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