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Simbabwe

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 116 von 180
Nothilfearbeit 22.03.2013

Internet als Macht und Mittel: Ein journalistischer Blick aus dem Exil

Die Arbeitsgruppe Journalisten im Exil hat gestern ihren dritten Newsletter veröffentlicht. Unter dem Titel „Schöne neue Welt?“ schreiben Exil-Journalisten aus sechs Ländern über die Macht des Internets und die Chancen durch die neuen Medien, über Gefahren für kritische Blogger und Gegner der freien Meinungsäußerung. Die von Reporter ohne Grenzen unterstützte Arbeitsgruppe führt Exil-Journalisten zusammen, die ihre Arbeit auch in Deutschland fortsetzen möchten. Viele von ihnen bewahrt das Internet in der Fremde vor der Isolation, es schafft eine Verbindung zur Heimat und zu denen, die mit ihnen für eine freie Presse kämpfen.

Sagedh Zad Salehi
aus dem IRAN sieht durch neue Medien nicht nur ein weltweites Forum geschaffen, sondern auch eine Art „Weltgewissen“. Jeder könne sich heute über globale Probleme informieren, und damit gingen sie auch jeden etwas an. Ob Umweltschutz oder Menschenrechte – wer sich nicht engagiere, der schade sich selbst. Sein Landsmann Soheil Asefi beschreibt, wie sich der jahrzehntelang unterdrückte Wissenshunger der Iraner heute an der großen Aufmerksamkeit für neue linke Medien, Blogs und ausländischen Quellen bemerkbar macht. So viel politisches Interesse wünscht sich Meera Jamal auch in ihrem Heimatland PAKISTAN. Die Mehrheit der Pakistaner aber wolle sich im Netz eher amüsieren als informieren. Nutzer, die sich im Internet politisch engagierten, würden streng überwacht – mit einer eigenwilligen Rechtfertigung: Westliche Länder täten das auch, meist im Namen der nationalen Sicherheit.

Itai Mushekwe aus SIMBABWE fragt, ob Protest im Internet nicht dazu führe, dass Regime noch radikaler gegen Abweichler vorgingen. Im virtuellen Raum habe ein Cyberkrieg gegen die eigenen Bürger begonnen. Wer sich wehren wolle, dem werde beim technisch hochkomplizierten Versteckspiel eine ganz neue Art von Medienkompetenz abverlangt. Die Fronten seien dabei auch auf internationaler Ebene klar erkennbar: China und Iran leisteten anderen Unterdrückerstaaten zensurtechnische Hilfe, während sie gleichzeitig einen elektronischen Krieg gegen westliche Staaten führten. Die Gefahr dieses Krieges sei nicht nur virtuell ist, wie das Beispiel computergesteuerter Drohnen zeigt. Moses Okile Ebokorait aus UGANDA betont nicht die Bedrohung, die von technischen Entwicklungen ausgeht, sondern ein ganz neues Lebensgefühl: In den sozialen Medien verdränge das Teilen und Diskutieren das passive Konsumieren von Nachrichten. Sie stünden für eine nie dagewesene Macht und Teilhabe des einfachen Bürgers am politischen Geschehen – möglicherweise sogar für den Anfang einer direkten Demokratie als neues politisches System.

In AFGHANISTAN sei das Internet noch lange nicht mit all diesen Dynamiken angekommen, meint Mortaza Rahimi. Nur acht Prozent der Afghanen nutzen das Internet. Die Regierung kontrolliere das neue Medium bisher noch nicht so stark wie die Nachbarn Iran und Pakistan – weniger aus freiheitlicher Überzeugung, sondern weil sie ihre ohnehin geringen Ressourcen auf die Lenkung der klassischen Medien konzentriere. Auch in SOMALIA spielt das Internet bislang kaum eine Rolle. Abdifatah Hussen Mohamed beschreibt, wie sich Journalisten dort aus Angst um das eigene Leben nur noch bei Tageslicht aus dem Haus wagen. Sie wissen, dass der Staat, der bisher nicht einen einzigen Journalistenmord aufgeklärt hat, sie nicht schützen kann und rüsten deshalb lieber selbst mit Waffen auf. So leisten sie ihren ganz eigenen Beitrag zum Wechselspiel von Gewalt und Paranoia.

Die Arbeitsgruppe Journalisten im Exil trifft sich seit 2011 regelmäßig im Büro von Reporter ohne Grenzen. „Nicht sprachlos bleiben“ hieß ihr erster Newsletter, der zum Tag des Flüchtlings am 20. Juni 2012 erschien. Den zweiten Newsletter gab die AG im Oktober 2012 heraus. Unter dem Titel „Ein verzerrter Blick westlicher Medien“ beschrieben Journalisten aus Pakistan, Simbabwe, Uganda und dem Iran, wie westliche Kollegen über ihre Heimatländer berichten.

Das Nothilfereferat von Reporter ohne Grenzen, das die Arbeitsgruppe „Journalisten im Exil“ unterstützt, hilft verfolgten Journalisten in ihrer Heimat und im Exil. Dazu gehört, zerstörte oder beschlagnahmte Ausrüstung zu ersetzen, Geld für einen Anwalt bereitzustellen oder medizinische Behandlung nach Anschlägen zu ermöglichen. Journalisten, die vor Verfolgung fliehen mussten, versucht Reporter ohne Grenzen hier in Deutschland so zu helfen, dass sie ihre journalistische Arbeit auch im Exil weiterführen oder wieder aufnehmen können.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe und die Autoren des Newsletters freuen sich über Anregungen und Kommentare: journalists-in-exile(at)reporter-ohne-grenzen.de Lesen Sie hier den gesamten Newsletter „Schöne neue Welt?“

Hier finden Sie sich Informationen über die Arbeit des ROG-Nothilfereferats.


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