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Slowakei

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 29 von 180
Europawahl 2019 21.05.2019

Pressefreiheit entschiedener schützen

© picture alliance

Wenige Tage vor den Wahlen zum neuen Europaparlament ruft Reporter ohne Grenzen (ROG) dazu auf, die Pressefreiheit entschlossen zu verteidigen. Die Politikerinnen und Politiker, die künftig in den Institutionen in Straßburg und Brüssel sitzen, müssen die Rechte von Medienschaffenden wieder stärker in den Fokus rücken und populistischen Tendenzen und dem Aufruf zu Hass gegen kritische Medien entgegentreten.

„Gezielte Diffamierungen und regelrecht hetzerische Kampagnen gehen Journalistinnen und Journalisten geht auch in Europa in vielen Ländern von höchster Stelle aus“, sagte ROG-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Populistische Parteien, die schon jetzt im Europaparlament vertreten sind, schüren absichtlich Hass. Die Hemmschwelle, Medienschaffende abzuwerten, zu beschimpfen und sogar körperlich anzugehen, ist allgemein gesunken. Wir fordern insbesondere die neue EU-Kommission dazu auf, die Einhaltung der Pressefreiheit als eine der Grundfesten der Europäischen Union sicherzustellen.“

ROG hat Stimmen von Journalistinnen und Journalisten zur bevorstehenden EP-Wahl gesammelt. Es zeigt sich, dass sich Medienschaffende von EU-Politikerinnen und -Politikern vor allem mehr Respekt und Schutz für ihre Arbeit wünschen. Die finnische Journalistin Kaijaleena Runsten sorgt sich in einer Videobotschaft über Hassreden und Drohungen, die sich an Journalisten und insbesondere an Journalistinnen richteten, und appelliert an die Mitglieder des Europäischen Parlaments und andere europäische Politiker: „Ich fordere Sie auf, dagegen vorzugehen!“ Der freie Journalist Arndt Ginzel aus Leipzig erinnert an die Pressefreiheit, die sich die Ostdeutschen im Herbst 1989 mühsam erkämpft hätten: „Heute, 30 Jahre danach, ist die Freiheit bedroht wie nie. Ich hoffe und erwarte, dass unsere EU-Abgeordneten für die Pressefreiheit einstehen, dass sie sie verteidigen - Demokratie ohne Pressefreiheit gibt es nicht.“

Wie die im April veröffentlichte Rangliste der Pressefreiheit zeigt, hat sich die Situation in etlichen Ländern der Europäischen Union stark verschlechtert. Hetze gegen Journalistinnen und Journalisten durch staatliche Akteure hat ein Klima der Angst begünstigt, das sich auch in Gewalt gegen Medienschaffende niederschlägt. Die Morde an dem slowakischen Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnírová sowie an der Journalistin Daphne Caruana Galizia in Malta werfen ein düsteres Licht auf die Rechtsstaatlichkeit beider Länder, in denen die Verbrechen bislang nur halbherzig geahndet werden.

In Polen hat die national-konservative Regierung nach ihrem Amtsantritt Ende 2015 den öffentlichen Rundfunk unter ihre Kontrolle gebracht. Regierungskritische private Medien stehen ebenfalls stark unter Druck. Dementsprechend fordert die freie Journalistin Magdalena Karpinska anlässlich der EP-Wahl: „In den letzten vier Jahren wurden in Polen allein in den öffentlichen Medien, die zum Propaganda-Sprachrohr der Regierung geworden sind, über 200 Journalisten entlassen oder gingen freiwillig. Ich möchte, dass die europäischen Politiker das Thema Medienfreiheit genauso ernst nehmen wie das Thema Rechtsstaatlichkeit.“ Sie selbst verließ 2016 das ehemals öffentlich-rechtliche Fernsehen und arbeitet nun für den Privatsender NOWA TV.

Ähnliche Entwicklungen, dass nämlich populistische Regierungen kritische Medien mundtot machen wollen, gibt es in Österreich und Tschechien. In Ungarn bestimmt die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán teils mit wörtlich vorgefertigten Stücken die Berichterstattung im staatlichen Rundfunk. Im Sommer 2017 kauften Orban-freundliche Unternehmer die letzten unabhängigen Regionalzeitungen auf.

Denkbar wäre die Schaffung eines EU-Kommissars oder einer Kommissarin für Pressefreiheit. Die Person sollte einen kontinuierlichen Dialog mit den EU-Mitgliedstaaten führen und einschreiten, wenn die Presse- und Informationsfreiheit bedroht wird. Ein Zehn-Punkte-Papier mit Forderungen, die Reporter ohne Grenzen anlässlich der EP-Wahlen formuliert hat, schlägt außerdem eine Kontaktstelle vor, an die sich zivilrechtliche Akteure mit ihren Bedenken wenden können und die bei der EU-Kommission angesiedelt sein sollte.

ROG plädiert zudem dafür, Pressefreiheit, Medienpluralismus und die Unabhängigkeit von Information in Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union aufzunehmen. Darin heißt es: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demo­kratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.“ Die Aufnahme der Pressefreiheit hätte zur Folge, diese auch juristisch zu stärken. Gemäß Artikel 7 EUV könnte der EU-Rat bestimmte Rechte eines Landes aussetzen, allerdings muss er zuvor einstimmig festgestellt haben, dass eine „schwerwiegende und anhaltende Verletzung“ der in Artikel 2 genannten Grundwerte vorliegt.

Da die Hürde für ein solches Verfahren sehr hoch liegt, schlägt ROG vor, die Rolle des Europäischen Gerichtshofs zu stärken. Bislang können Vertragsverletzungsverfahren nur durch die EU-Kommission oder EU-Länder eingeleitet werden. Zukunftsweisend wäre es, auch nationalen Ombudspersonen, Nichtregierungsorganisationen und dem Gerichtshof selbst die Möglichkeit zu geben, Untersuchungen bei Verstößen gegen die Pressefreiheit anzustoßen.

Darüber hinaus sollte die Europäische Ombudsfrau mehr Befugnisse erhalten. Bisher kann die Bürgerbeauftragte zwar aktiv werden, wenn Einzelpersonen, Unternehmen oder Organisationen Verletzungen der Menschenrechte melden. Allerdings kann sie keine Beschwerden über nationale, regionale oder lokale Behörden in den EU-Mitgliedstaaten untersuchen, selbst wenn die Beschwerden EU-Angelegenheiten betreffen. Ihre Tätigkeit bezieht sich nur auf die EU-Verwaltungen. Sinnvoll wäre es deshalb, das Mandat der Ombudsfrau auszuweiten.

ROG schlägt zudem vor, dass das EU-Parlament regelmäßig die Lage der Pressefreiheit in den einzelnen Mitgliedsländern überprüfen lässt, etwa in Form eines Reports, der von einer unabhängigen Expertengruppe erstellt werden sollte. Massive Verstöße gegen die Pressefreiheit - wie etwa der Mord an Medienschaffenden - sollten Thema einer öffentlichen Anhörung der Staats- und Regierungschefs sein.

Schon seit langem macht sich Reporter ohne Grenzen dafür stark, die Pressefreiheit stärker in den Fokus zu stellen, indem man sie auch auf höchster Ebene, den Vereinten Nationen, verankert. Ein UN-Sonderbeauftragter soll die Bemühungen der verschiedenen UN-Institutionen zum Schutz von Journalisten koordinieren und bestehende völkerrechtliche Vorschriften durchsetzen. Rosa Meneses, Journalistin bei der spanischen Zeitung El Mundo und im internationalen Sekretariat von Reporter ohne Grenzen engagiert, sagt in ihrer Videobotschaft zur EP-Wahl: “Guter Journalismus muss ein Grundwert sein, der im Mittelpunkt der Werte der Europäischen Union steht. Reporter ohne Grenzen unterstützt die Schaffung eines Sonderbeauftragten zur Verteidigung der Informationsfreiheit.“



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