Sri Lanka
07.01.2015
Präsidentenwahl ohne freie Medien
Reporter ohne Grenzen fordert ungehinderte Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten in Sri Lanka. Die Bürger des asiatischen Landes wählen am (morgigen) Donnerstag einen neuen Präsidenten. ROG ruft das künftige Staatsoberhaupt dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass Journalisten endlich auch kritische Themen recherchieren und die Medien diese Artikel ohne Angst vor Repressalien publizieren können.
„Sri Lanka ist von den Werten der Meinungs- und Pressefreiheit weit entfernt“, sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. „Selbstzensur, Kontrolle und Gewalt gehören zum Alltag vieler kritischer Journalisten. Mit Nachdruck fordern wir Sri Lankas künftigen Präsidenten dazu auf, Medienvertretern endlich die Möglichkeit zu geben, auch über Unrecht oder kritische Themen zu schreiben.“
Medien ein Instrument im Wahlkampf
Zahlreiche Zeitungen und Fernsehsender in Sri Lanka gehören staatlichen Institutionen und unterliegen dem direkten Einfluss der Politik. Im aktuellen Wahlkampf werden viele als Instrument zur Wählerbeeinflussung missbraucht. So widmen die zum staatlichen Verlagshaus Associated Newspapers of Ceylon Limited gehörenden Tageszeitungen Daily News, die auf Englisch schreibt, die singhalesisch-sprachige Dinamina und die tamilische Thinakaran einen Großteil ihrer Berichterstattung dem amtierenden Staatspräsidenten Mahinda Rajapaksa. Seinen Herausforderer Maithripala Sirisena ignorieren sie so gut wie vollständig.
Die staatlich kontrollierten Fernsehsender Rupavahini und ITN ergreifen ebenfalls Partei für den Amtsinhaber. Wenn sie Sirisena in ihren Berichten überhaupt erwähnen, dann auf beleidigende und diskreditierende Weise.
Auch ausländische Journalisten werden in ihrer Arbeit behindert. Mehreren Korrespondenten, die über die Wahlen berichten wollten, wurde ein Einreisevisum verweigert, so etwa der ARD-Hörfunkkorrespondentin Sandra Petersmann mit Sitz im indischen Delhi. Petersmann hat wiederholt kritisch über Sri Lanka berichtet.
Kontrolle, Repressionen und Gewalt gegen Journalisten
In Sri Lanka selbst müssen unabhängige Journalisten mit Behinderungen, Repressalien und Gewalt in ihrem Arbeitsalltag rechnen. Kritische Berichte über die Familie von Präsident Rajapaksa, über die staatliche Verwaltung oder über die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen, die während des mehr als 20 Jahre dauernden Bürgerkriegs geschahen, gelten als tabu.
So wurden im Juli vergangenen Jahres tamilische Journalisten, die einen vom Sri Lanka Press Institute organisierten Workshop besuchten, bedroht und von Soldaten stundenlang festgehalten. Nachdem der UN-Menschenrechtsrat die Regierung im vergangenen März zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkriegs aufgefordert hatte und sich vor allem tamilische Journalisten an Recherchen zu dem heiklen Thema wagten, hatten die Behörden ihre Repressalien gegen deren Medien verschärft.
Schon einige Wochen vor dem Vorfall bei dem Workshop hatten mehrere hundert Soldaten in der Stadt Jaffna das Redaktionsgebäude der tamilischen Zeitung Uthayan umstellt. Die Zeitung hatte zuvor eine Sonderbeilage veröffentlicht, die sich den Opfern eines Massakers der Regierung an der tamilischen Zivilbevölkerung widmete. Reporter ohne Grenzen zeichnete Uthayan im Jahr 2013 wegen seiner Berichterstattung als Medium des Jahres aus.
Internetzensur und repressive Gesetze
Auch Nachrichtenwebseiten unterliegen in Sri Lanka staatlicher Aufsicht und werden über Lizenzvergabe kontrolliert. Seit dem Erlass neuer Regeln im Dezember 2011 erhielten nur ein Drittel der Antragsteller die Erlaubnis, mit einer neuen Informationswebseite online zu gehen. Kritische Onlinepublikationen aus dem In- und Ausland sind von der Regierung gesperrt, so etwa Colombo Telegraph, Tamilnet und Lanka News. Auch die Betreiber von Rundfunkanstalten werden mit Lizenzen gegängelt, seit Dezember 2013 sind keine neuen Radio- oder Fernsehlizenzen vergeben worden.
Unabhängige Organisationen wie die Bewegung Free Media Movement und die Sri Lanka Journalists` Association wurden wiederholt Opfer von Schmutzkampagnen; ihre Mitarbeiter sind regelmäßig Drohungen ausgesetzt. Am 21. Dezember wurde Sampath Samarakoon, ein Mitarbeiter von Free Media Movement und Redakteur der Nachrichtenwebseite Vikalpa, in der Stadt Hambantota von einer bewaffneten Bande bedroht, als er an einer friedlichen Demonstration teilnahm.
Ein Anti-Terror-Gesetz aus dem Jahr 1979 schränkt die freie Meinungsäußerung ein und verbietet zum Beispiel verächtliche Äußerungen über die Regierung - ein Gummibegriff, mit dem Kritiker mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden können. Ein aus dem Jahr 1973 stammendes Gesetz verbietet die Veröffentlichung von Informationen, die die Bereiche Verteidigungs-, Steuer- und Sicherheitspolitik betreffen. Ein Presserat, dessen Mitglieder von der Regierung bestellt sind, wacht über die Einhaltung dieser Regelung. Verstöße werden mit Gefängnisstrafen oder Sanktionen geahndet. Diese Kontrollen führen dazu, dass viele Journalisten Selbstzensur ausüben.
Viele Journalisten ins Ausland geflohen
Aufgrund der massiven Bedrohungen sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Journalisten ins Ausland geflohen. Im Jahr 2009 wurden zwei Medienvertreter getötet, darunter Lasantha Wickrematunga, der Mitbegründer der englischsprachigen Zeitung The Sunday Leader. Wegen seiner kritischen Artikel, in denen er unter anderem über Korruption in höchsten Regierungskreisen schrieb, hatte Wickrematunga mehrmals Todesdrohungen erhalten. Reporter ohne Grenzen unterstützt das internationale Netzwerk Journalists for Democracy in Sri Lanka, das 2009 von Exiljournalisten gegründet wurde, um unterdrückte Informationen aus Sri Lanka zu verbreiten.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Sri Lanka auf Platz 165 von 180 Ländern.
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