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Südsudan

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 136 von 180
International 26.08.2020

Umweltjournalismus: Gefährliche Recherchen

Fotograf fotografiert einen Hubschrauber, der mit Wasser die Waldbrände bekämpft.
Fotograf dokumentiert Waldbrände in Kalifornien © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Marcio Jose Sanchez

Umweltjournalistinnen und Umweltjournalisten geraten in vielen Ländern der Welt zunehmend unter Druck. Weltweit wurden mindestens zehn Medienschaffende, die zu Umweltthemen berichteten, laut Recherchen von Reporter ohne Grenzen (RSF) in den vergangenen fünf Jahren getötet. Insgesamt zählte RSF in diesem Zeitraum 53 Verletzungen der Pressefreiheit im Zusammenhang mit Umweltjournalismus.

Bereits 2015 hatte RSF den Bericht „Feindliches Klima für Umweltjournalisten“ veröffentlicht, in dem eine Reihe von Verstößen aufgelistet sind. Die vor fünf Jahren festgestellten Trends haben sich bestätigt. Im Durchschnitt werden jedes Jahr weltweit zwei Medienschaffende ermordet, weil sie zu Entwaldung, illegalem Bergbau, Landnahme, Umweltverschmutzung und anderen Umweltauswirkungen von Industrie- und Infrastrukturprojekten recherchieren.

20 Umweltjournalisten in 10 Jahren getötet

Im vergangenen Jahrzehnt kamen insgesamt 20 Journalistinnen und Journalisten in Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung über Umweltthemen ums Leben, zehn davon in den vergangenen fünf Jahren. Neun von ihnen wurden nachweislich ermordet – zwei in Kolumbien, je einer in Mexiko, auf den Philippinen und in Myanmar sowie vier in Indien. Darunter ist auch Shubham Mani Tripathi, Reporter der Tageszeitung Kampu Mai, der im Juni 2020 erschossen wurde. In einem Facebook-Post kurz vor seinem Tod sagte er, er befürchte, von der „Sandmafia“ getötet zu werden, weil er über Landbeschlagnahmen für den illegalen Sandabbau berichtet habe.

Zusätzlich zu den neun, die eindeutig ermordet wurden, starb 2018 im indonesischen Teil Borneos ein Journalist im Gefängnis. Muhammad Yusuf war inhaftiert worden, nachdem er beschuldigt worden war, ein lokales Palmölunternehmen bei seiner Berichterstattung über illegale Landnahme diffamiert zu haben. Seine Frau ist überzeugt, dass er nicht eines natürlichen Todes gestorben ist, da man an seiner Leiche Blutergüsse im Nacken gefunden hat.

Einige Medienschaffende mussten aus Angst um ihr Leben ihr Land verlassen. Wegen seiner Berichterstattung über die Folgen der Umweltverschmutzungen durch internationale Ölkonzerne im Südsudan wurde der Reporter Joseph Oduha schikaniert, inhaftiert, gefoltert und beschuldigt, „die nationale Sicherheit zu gefährden“. 2019 floh er schließlich aus dem Land. Alberto Castaño und María Lourdes Zimmermann, zwei auf Umweltthemen spezialisierte Medienschaffende, flohen aus Kolumbien, aus Angst getötet zu werden. In den letzten drei Jahren waren dort Maria Efigenia Vásquez Astudillo und Abelardo Liz ermordet worden, weil sie über die Privatisierung von Land durch führende Wirtschaftskonzerne berichtet hatten.

„Umweltjournalismus ist erheblich gefährlicher geworden als früher und ich denke, dass dies eng mit einem wachsenden Bewusstsein für die Bedeutung der Umwelt zusammenhängt“, sagte Peter Schwartzstein, Spezialist für Umweltfragen im Nahen Osten und Nordafrika sowie Autor des Berichts „Der autoritäre Krieg gegen den Umweltjournalismus“. Er fügt hinzu: „Da die Umweltverschmutzung zunimmt und der Klimawandel zu spüren ist, wächst das öffentliche Bewusstsein für Themen, die früher als Randbelange betrachtet wurden. Das hat den Fokus der Regierungen auf einen Teil der Medien gelenkt, den sie früher als weniger wichtig betrachteten.“

Asien und Amerika – Gefahrenzonen

66 Prozent der gezählten Übergriffe gegen Umweltjournalistinnen und -journalisten fanden auf den Kontinenten Asien und Amerika statt. In Asien hält Indien alle zweifelhaften Rekorde: für getötete Medienschaffende (4), für physische Angriffe (4) und für Journalistinnen und Journalisten, die Drohungen und strafrechtlichen Verfolgungen ausgesetzt waren (4). Fast alle diese Fälle stehen im Zusammenhang mit der so genannten „Sandmafia“ Indiens.

„Weltweit wächst das Bewusstsein, dass Sand nach Wasser die wertvollste natürliche Ressource ist, und da er in seiner Menge begrenzt ist, ist er sehr gefragt“, sagte die indische Journalistin Sandhya Ravishankar. „Wenn Medienschaffende über ein so kostbares Gut berichten und Druck auf die Behörden ausüben, den Sandabbau zu stoppen, stellt dies eine Bedrohung für viele mächtige Industrien und Industrielle dar, deren Lebensunterhalt vom Sand als Rohstoff abhängt. Dies ist der Grund dafür, dass es viel Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten gibt, die über den illegalen Abbau von Sand berichten.“

Ravishankar wurde selbst Opfer einer aggressiven Verleumdungskampagne, initiiert durch Bergbauunternehmen, als sie über die Sandmafia im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu recherchierte.

Der auf den Philippinen lebende US-Journalist Brandon Lee überlebte im August 2019 nur knapp einen Mordversuch. Unbekannte hatten ihn überfallen und mehrere Kugeln auf ihn abgefeuert. Laut eigener Aussage war er zuvor im Zusammenhang mit seiner Berichterstattung über Umweltfragen im Norden des Landes ständig verschiedenen Bedrohungen und Schikanen durch das Militär ausgesetzt, sogar in sozialen Medien.

Klagen sollen Journalisten zum Schweigen bringen

Oft werden Verleumdungsgesetze genutzt, um Journalistinnen und Journalisten zu verklagen oder strafrechtlich zu verfolgen und sie so zum Schweigen zu bringen. Weltweit wurden neun Medienschaffende in jüngster Zeit Ziel von Gerichtsverfahren.

Zu ihnen gehört der Journalist Pratch Rujivanarom, der 2017 unter dem thailändischen Strafgesetz und dem Computer Crimes Act strafrechtlich verfolgt wurde, nachdem er für die thailändische Tageszeitung The Nation einen Artikel über die Wasserverschmutzung infolge der Aktivitäten des großen Bergbauunternehmens MPC geschrieben hatte. Das Unternehmen zog seine Klage auf Grund der fundierten Recherche des Journalisten schließlich zurück.

Inès Léraud, eine französische freie Journalistin, die die Umweltauswirkungen der intensiven Landwirtschaft in der Bretagne untersucht, wurde in den letzten zwei Jahren zweimal verklagt. Die erste Klage wurde wenige Tage vor Verhandlungsbeginn im Januar 2020 zurückgezogen. Eingereicht worden war sie von einem führenden bretonischen Agroindustriellen, der Léraud zudem per E-Mail und im Radio beschimpft hatte.

Umweltjournalistinnen und -journalisten, die wegen Verleumdung angeklagt werden, werden in der Regel freigesprochen. Einige von ihnen verbringen aber viele Jahre im Gefängnis. Salidschon Abdurachmanow, Autor zahlreicher Artikel über die Auswirkungen der Umweltkatastrophe am Aralsee, verbrachte neun Jahre hinter Gittern in Usbekistan, bis er 2017 endgültig freigelassen wurde. Carlos Choc drohen in Guatemala 20 bis 30 Jahre Gefängnis, weil er die Verschmutzung eines Sees durch das Bergbauunternehmen CGN-Pronico angeprangert hat. Erst nach 22 Jahren Verleumdungsverfahren wurden in Indien der Newstime-Reporter Shailendra Yashwant, sein Herausgeber Ramoji Rao und der Herausgeber von Sanctuary Features, Bittu Sahgal, 2018 endlich freigesprochen. Sie hatten 1995 einen Artikel über die Verschmutzung eines Flusses im indischen Bundesstaat Gujarat durch chemische Abwässer veröffentlicht.

Viele Festnahmen

Die häufigste Verletzung der Pressefreiheit, die Umweltjournalistinnen und Journalisten erleben, sind Festnahmen durch die Polizei. Die Nowaja Gaseta-Reporterin Jelena Kostjutschenko und der Fotograf Juri Kosyrew wurden wiederholt wegen „Quarantäneverstößen“ verhaftet, als sie versuchten über einen Diesel-Ölunfall in Sibirien im Juni 2020 zu berichten.

Dutzende von Medienschaffenden wurden seit 2016 auch in Kanada und den Vereinigten Staaten festgenommen, als sie über Proteste gegen den Bau von Gas- und Ölpipelines sowie eines Wasserkraftwerks in Gebieten der Ureinwohner berichteten. In beiden Ländern wurden die Journalistinnen und Journalisten wegen unerlaubten Betretens der Gelände angeklagt, bis Gerichte schließlich entschieden, dass sie über die Proteste der indigenen Bevölkerung berichten dürfen.

In Deutschland wurde im Oktober 2018 ein bento-Journalist rund zehn Stunden von der Polizei festgehalten, nachdem er Proteste von Aktivistinnen und Aktivisten gegen den Braunkohleabbau am Hambacher Forst dokumentieren wollte. Seine Kamera wurde beschlagnahmt. Einen Monat zuvor wurde ein Fernsehreporter bei Dreharbeiten im Hambacher Forst von einem mutmaßlichen Aktivisten angegangen

Die britische Polizei behinderte im Oktober 2019 die Medienberichterstattung über den Versuch der Gruppe Extinction Rebellion, den Londoner Flughafen zu besetzen. Im Juni 2020 wurde zudem in Frankreich der Journalist Alexandre-Reza Kokabi zehn Stunden lang festgehalten, nachdem er bei der Berichterstattung über einen Protest von Extinction Rebellion am Pariser Flughafen Orly festgenommen worden war. Hugo Clément, ein französischer Reporter des Fernsehsenders France 2, und sein dreiköpfiges Team wurden nach ihrer Verhaftung im Juli 2019 in Queensland, Australien, sieben Stunden lang festgehalten. Sie hatten über einen Protest von Umweltschützerinnen und Schützern gegen den Bau der Kohlemine Carmichael, die das Great Barrier Reef bedroht, berichtet.

Offener und unterschwelliger Druck

Journalistinnen und Journalisten, die über Umweltthemen berichten, werden auf viele Arten unter Druck gesetzt. In China wurde der Reporter Zhou Chen in einem Bezirk in der Provinz Fujian, in dem es im November 2018 einen schweren Fall industrieller Umweltverschmutzung gab, von Beamtinnen und Beamten sowie der Polizei offen verfolgt, bedroht und schikaniert.

In manchen Fällen ist der Druck allerdings unterschwelliger. So bei einer auf Umweltfragen spezialisierten Journalistin in Ägypten, die nicht namentlich genannt werden will. Nachdem sie Artikel über ein sensibles Thema im Zusammenhang mit Kohleimporten geschrieben hatte, stellte sie fest, dass sie beobachtet wurde. Sie konnte außerdem nicht fliegen, ohne mehrere Stunden lang am Flughafen aufgehalten zu werden.

In Japan prangern Journalistinnen und Journalisten eine weit verbreitete Selbstzensur innerhalb der Medien in Bezug auf die Folgen der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 an. Sie machen den Druck der Atomlobby und der Regierung für die Selbstzensur verantwortlich. Diese wollten eine Berichterstattung verhindern, die ein "negatives Bild Japans" vermitteln oder die Vorbereitungen für die Olympischen Sommerspiele in Tokio gefährden könnte.

Mangelnde Berichterstattung verschärft Umweltprobleme

Ob direkt oder unterschwellig, alle Schikanen gegen Medienschaffende, die über Umweltthemen berichten, haben fatale Konsequenzen. Wie die Inderin Sandhya Ravishankar es ausdrückt: „Die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, die Machthierarchien und die Gewalt, der Bevölkerungen ausgesetzt sind – all dies sind wichtige Geschichten, die es zu erzählen gilt. Doch über diese wird nicht berichtet. Und das liegt daran, dass Journalistinnen und Journalisten Angst haben, diese Geschichten zu erzählen – und das aus gutem Grund.“

Die mangelnde Berichterstattung über diese Themen vergrößert wahrscheinlich den Schaden für die Umwelt. Wie Peter Schwartzstein sagt: „Obwohl es schwierig zu beweisen ist, scheint es auf jeden Fall so, als ob dieses harte Vorgehen [gegen Medienschaffende] zu einer verstärkten Umweltzerstörung beiträgt. Durch die völlig unzureichende Berichterstattung über Umweltkatastrophen und -missstände bleiben riesige Probleme unbeachtet und werden verschlimmert.“

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