Subsahara-Afrika
04.12.2020
Einschränkungen der Pressefreiheit wegen Corona
Reporter ohne Grenzen und Cartooning for Peace haben die Verstöße gegen die Informations- und Pressefreiheit, die im Zuge der Covid-19-Pandemie in Subsahara-Afrika zugenommen haben, dokumentiert. Gewalt gegenüber Medienschaffenden, neue repressive Regierungsdekrete und mangelnde staatliche Subventionen treten unter anderem verstärkt in Nigeria, Simbabwe und Uganda, aber auch in anderen Ländern der Region, auf.
„Die Covid-19-Pandemie hat weltweit zu Einschränkungen der Informations- und Pressefreiheit geführt. Aufgrund der starken Fokussierung europäischer Medien auf den globalen Norden haben wir gemeinsam mit Cartooning for Peace die Region unter die Lupe genommen. Denn auch hier hat sich der Ton gegenüber unabhängigen Medienschaffenden seit dem Beginn der Pandemie deutlich verschärft“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr.
In der ersten Hochphase der Covid-19-Pandemie zwischen dem 15. März und dem 15. Mai 2020 wurden in der gesamten Region dreimal so viele Journalistinnen und Journalisten angegriffen oder willkürlich verhaftet wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Insgesamt wurden 109 Verstöße gegen die Informations- und Pressefreiheit in 29 der 48 Länder Subsahara-Afrikas von RSF dokumentiert und verifiziert. Dabei machten Nigeria mit 15, Simbabwe mit 14 und Uganda mit zwölf Fällen 38 Prozent der registrierten Verstöße aus.
Gewalt gegenüber Medienschaffende nimmt zu
Im Zuge der Covid-19-Pandemie nahmen die Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten drastisch zu. In Südafrika wurde die News24-Reporterin Azarrah Karrim während einer Berichterstattung über den landesweiten Lockdown von Gummigeschossen getroffen. Als Karrim sich anschließend bei den Behörden beschwerte, sagte ein Polizeibeamter zu ihr: „Haben sie dich verfehlt? Was für eine Verschwendung!“
Neben verbalen oder physischen Übergriffen kam es auch verstärkt zu Verhaftungen von Medienschaffenden. Der Journalist Dieudonné Niyonsenga, der den ruandischen YouTube-Nachrichtensender Ishema TV betreibt, wurde wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Lockdown-Regelungen festgenommen. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung berichtete Niyonsenga über die Auswirkungen des Lockdowns auf die Bevölkerung sowie über Vergewaltigungsvorwürfe gegen Einsatzkräfte, die den Lockdown kontrollierten.
Einigen Journalistinnen und Journalisten blieb unter diesen Umständen zuletzt nur noch die Flucht aus ihrem Heimatland. Eugene Dube, Leiter der Online-Platform Swati Newsweek, floh ins südafrikanische Exil, nachdem er den Umgang der Behörden in seinem Heimatland Eswatini (bis 2018 offiziell Swasiland genannt) mit der Pandemie kritisiert hatte. In der letzten absoluten Monarchie des afrikanischen Kontinents wird jede Kritik an der Regierung unter König Mswati III. als „Hochverrat“ behandelt und mit dem Tod bestraft.
Neue repressive Regierungsdekrete schränken Berichterstattung ein
Neue repressive Regierungsdekrete und Gesetzesänderungen legitimieren dieses zunehmend aggressive Vorgehen gegenüber Medienschaffenden. In Südafrika änderte die Regierung unter Präsident Cyril Ramaphosa im März ein Gesetz zum Katastrophenmanagement. Seither drohen Journalistinnen und Journalisten Haftstrafen von bis zu sechs Monaten, wenn diese angebliche Falschinformationen über die Pandemie verbreiten. Die Regierung entscheidet, was per Gesetz als Falschinformation gilt.
Der gerade erneut im Amt bestätigte tansanische Präsident John Magufuli hat jegliche Stellungnahmen seiner Regierung zu der Covid-19-Pandmie eingestellt. Zur gleichen Zeit wurde Journalistinnen und Journalisten per Regierungsdekret verboten, über die Pandemie zu berichten. Infolgedessen mussten sich zahlreiche Medienhäuser für bereits veröffentliche Artikel entschuldigen oder sogar ganz schließen, wie auch die wichtigste swahilisprachige Zeitung Mwananchi. Wenige Zeit später wurde den tansanischen Medien ebenfalls untersagt, ohne vorherige Genehmigung der Regierung ausländische Inhalte zu teilen. Verstöße werden mit Geldstrafen von bis zu 1700 Euro oder Gefängnisstrafen von bis zu einem Jahr geahndet.
Mangelnde staatliche Subventionen verringern Medienvielfalt
Neben Übergriffen auf Reporterinnen und Reporter, Schließungen von Medienhäusern und Löschungen von Artikeln wurde auch die Subventionierung von Medienhäusern in einigen Ländern Subsahara-Afrikas eingeschränkt. Im Senegal verloren Printmedien 70 Prozent, Fernsehsender 54 Prozent, Radiosender und Online-Portale 40 Prozent ihrer Einnahmen bereits in den ersten vier Monaten der Pandemie. In Kenia wurden landesweit 300 Arbeitsplätze für Medienschaffende gestrichen, Zeitungen druckten viel weniger Seiten, und Radiosender ersetzten Nachrichten immer öfter durch Musik. In Nigeria mussten Journalistinnen und Journalisten ihr knappes Gehalt mit Nebenjobs in der Landwirtschaft aufstocken. Die Unterstützung durch den Staat blieb in all diesen Fällen aus. In Kamerun spitze sich die Lage so weit zu, dass 20 Zeitungen am 4. Mai einen „Tag ohne Presse“ ausriefen, um öffentlich auf die prekäre Situation der Medien aufmerksam zu machen.
In Südafrika wurde der Mediensektor mit am härtesten von der durch die Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise getroffen. Knapp 700 Reporterinnen und Reporter verloren ihre Arbeit, und etwa 80 Medienhäuser mussten aufgrund von mangelnden staatlichen Hilfen schließen. Dementsprechend drastisch verringerte sich die Medienvielfalt in dem Land am Kap der Guten Hoffnung.
Investigativer Journalismus versucht unabhängige Berichterstattung aufrechtzuerhalten
Trotz dieser Schwierigkeiten versuchten Journalistinnen und Journalisten, auch in den letzten Monaten weiter unabhängig zu berichten. Gegen den Investigativjournalisten Hopewell Chin'ono, der als einer der bekanntesten Journalisten Simbabwes gilt und 2008 den „African Journalist of the Year Prize“ erhielt, wird seit Monaten ermittelt. Erstmals wurde Chin'ono am 20. Juli verhaftet und nur kurzfristig am 2. September freigelassen, bevor er am 3. November erneut festgenommen wurde. Offiziell wurde der Journalist wegen eines Tweets verhaftet, in dem er Ende Juli eine Demonstration gegen Korruption erwähnte. Allerdings berichtete der Journalist zuvor auch über Korruptionsvorwürfe gegen den kongolesischen Gesundheitsminister Obadiah Moyo, der einen Auftrag zu Besorgung von medizinischen Versorgungsgütern an ein Unternehmen vergab, dass zu überhöhten Preisen lieferte. Chin'ono infizierte sich in der Haft mit dem Coronavirus. Eine Freilassung gegen Kaution wurde mehrfach abgelehnt.
In der Demokratischen Republik Kongo berichtete die Nichtregierungsorganisation Journalist in Danger, die eine Partnerorganisation von RSF ist, dass verschiedenen Redaktionen die Information zugespielt wurde, dass auch hier öffentliche Gelder für die Pandemie-Bekämpfung abgezweigt wurden. Das 1996 verabschiedete kongolesische Mediengesetz sieht für solche Veröffentlichungen jedoch Gefängnisstrafen oder sogar Todesstrafen für die involvierten Reporterinnen und Reporter vor.
Gemeinsam mit ARTICLE 19, der Deutschen Welle Akademie, Fondation Hirondelle, Free Press Unlimited, International Media Support und der UNESCO unterstützt RSF das Projekt „Die Antwort auf Covid-19 in Afrika: Gemeinsam für verlässliche Informationen“. Ziel dieses Projektes ist der Erhalt des unabhängigen Journalismus in den Teilen Subsahara-Afrikas, die besonders hart von der Pandemie getroffen wurden. Finanziert wird das Projekt von der Generaldirektion Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (DEVCO) der Europäischen Union (EU).
Mehr zur Lage der Pressefreiheit in Nigeria, Simbabwe und Uganda.
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