Thailand
19.10.2016
Verschärfte Zensur nach Tod des Königs
Reporter ohne Grenzen ist besorgt über die verschärfte Zensur der Medien in Thailand nach dem Tod von König Bhumibol Adulyadej. Seit dem Tod des Monarchen in der vergangenen Woche greift die Regierung verstärkt in die ohnehin eingeschränkte Berichterstattung ein. Majestätsbeleidigung kann in Thailand mit bis zu 15 Jahren Haft geahndet werden.
„Gerade angesichts der Unsicherheit über die Zukunft des Landes darf die öffentliche Debatte über Monarchie und Regierung nicht durch Zensur unterbunden werden“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Militärregierung darf den Tod des Königs nicht als Vorwand missbrauchen, um gegen Journalisten und Internetnutzer vorzugehen.“
Nach dem Tod Bhumibols soll die staatliche Kommunikationsbehörde Internetanbieter dazu aufgefordert haben, soziale Medien wie Facebook, YouTube und Twitter rund um die Uhr nach „unangemessenen Inhalten“ zu durchsuchen und diese schnellstmöglich zu entfernen. Sollte sich ein Anbieter nicht an diese Anordnung halten, werde er strafrechtlich verfolgt, zitierte die Nachrichten-Webseite Prachatai einen Sprecher der Behörde.
Die Zahl der Prozesse wegen Majestätsbeleidigung ist schon seit dem Militärputsch 2014 stark angestiegen. Ein anonymer Anruf reicht der zuständigen Behörde als Anlass aus, um Ermittlungen wegen Majestätsbeleidigung einzuleiten. Daher üben Journalisten und Internetnutzer strenge Selbstzensur.
Fernsehsender mussten Regierungsprogramm ausstrahlen
Auch Fernsehsender sind von den Einschränkungen betroffen. Nach der Verkündung von Bhumibols Tod wurde das Programm aller Sender mit von der Regierung produziertem Filmmaterial ersetzt, wie die Nachrichtenseite Khao Sod berichtete. Ursprünglich sollte diese Anordnung einen Monat lang gelten, aber nach Verhandlungen der Sender mit der Junta wurde der Plan nach einem Tag zurückgenommen. Allerdings sollten weiterhin Einschränkungen wie ein Verbot von Spielshows gelten.
Ein BBC-Korrespondent sagte Khao Sod, die Thailand-Berichterstattung des Senders sei mehrmals blockiert worden. Der thailändische Kabelanbieter TrueVisions gab an, er habe die BBC-Ausstrahlung unterbrochen, um sich an die Richtlinien der Telekom-Behörde für Berichterstattung während der Trauerperiode zu halten.
Nicht nur Berichte über den verstorbenen König, sondern auch über seine Nachfolge stehen unter Beobachtung. Das Außenministerium verurteilte die Berichterstattung einiger ausländischer Medien, die „falsche Informationen“ sowie manipulative und provokante Anschuldigungen verbreiteten. Das Ministerium forderte Autoren und Medien dazu auf, dies zu unterlassen. Die Erklärung dürfte sich nicht zuletzt auf unvorteilhafte Berichte über Kronprinz Maha Vajiralongkorn beziehen.
Auch außerhalb der eigenen Staatsgrenzen will die Regierung offenbar gegen „unangemessene“ Veröffentlichungen vorgehen. Justizminister Paiboon Koomchaya erklärte einem Bericht zufolge, ausländische Diplomaten sollten dabei helfen, Thailänder im Ausland aufzuspüren, die Majestätsbeleidigung begangen hätten. Die Regierung kündigte an, andere Staaten um die Auslieferung der Betroffenen zu bitten.
Journalisten fürchten Majestätsbeleidigung
Bereits vor dem Tod des Königs ging die Regierung hart gegen kritische Berichte über die Monarchie vor. Die Justiz geht in Thailand oft gegen angebliche Majestätsbeleidigung vor, auf die Strafen zwischen drei und 15 Jahren Gefängnis stehen. Journalisten scheuen sich sogar davor, über Gerichtsverhandlungen zu Fällen von Majestätsbeleidigung zu berichten oder online nach Begriffen zu suchen, die mit dem Thema in Verbindung stehen. Hunderte Menschen, darunter Journalisten, Intellektuelle, Akademiker und Politiker, wurden bereits wegen des Vorwurfs verhaftet.
Momentan sitzen in Thailand mindestens drei Journalisten wegen ihrer Tätigkeit im Gefängnis – allesamt wegen des Vorwurfs der Majestätsbeleidigung. So wurde Somyot Prueksakasemsuk, Herausgeber des Magazins Voice of Thaksin, zu elf Jahren Haft verurteilt. Sein Magazin hatte im Jahr 2010 zwei nicht von ihm selbst verfasste Artikel veröffentlicht, die das Gericht als Verleumdung des Königs und der Monarchie wertete.
Medienfreiheit seit dem Putsch erheblich eingeschränkt
Nach dem Putsch 2014 erlebten Thailands Medien die härteste Repressionswelle seit der Diktatur der 1960er Jahre. In einem ausführlichen Länderbericht vom vergangenen Jahr hat Reporter ohne Grenzen die Einschränkungen der Pressefreiheit in Thailand seit dem Putsch untersucht. Menschen wurden verhaftet, weil sie George Orwells Roman „1984“ in der Öffentlichkeit gelesen hatten. Journalisten lokaler und ausländischer Medien wurden bedroht, abweichende Meinungsäußerungen vermehrt von der Justiz verfolgt. Die kritischsten Journalisten wurden in Umerziehungslager gesperrt. Die Botschaft war eindeutig: Entweder die Medien gewöhnen sich an Selbstzensur, oder sie werden verfolgt, weil sie die „nationale Sicherheit“ bedrohen oder „Frieden und Ordnung“ stören.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Thailand auf Platz 136 von 180 Staaten.
nach oben
Folgen Sie uns!