Meldungen aus den Projektländern des Defending Voices Program

Mexiko 01.09.2020

Kampagne gegen das Vergessen

Demonstrierende zeigen Bilder getöteter Journalist*innen © picture alliance / AA | Manuel Velasquez

Die Menschenrechtsorganisation Propuesta Cívica hat die Kampagne #MemoriasQueHablan („Sprechende Erinnerungen“) gestartet – zum Gedenken an und zur Anerkennung von Medienschaffenden und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern, die in Mexiko angegriffen oder getötet wurden. Propuesta Cívica ist Partner des „Defending Voices Programs“, das Reporter ohne Grenzen (RSF) ins Leben gerufen hat. Die Kampagne soll die Öffentlichkeit über schon ergriffene juristische Schritte informieren und dokumentiert die Herausforderungen, mit denen sich die Organisation bei der rechtlichen Vertretung von Journalistinnen und Journalisten konfrontiert sieht, die in einer weitestgehend von Straflosigkeit geprägten Welt Opfer von Gewalt geworden sind.

"Die Erfahrungen, die wir im Zuge der Vertretung von Journalistinnen und Journalisten und ihren Familien gesammelt haben, haben gezeigt, dass wir alle Faktoren berücksichtigen müssen, die Gewalt bedingen: vor allem den Sumpf der Straflosigkeit und die Trägheit der Behörden", sagte Sara Mendiola, Direktorin von Propuesta Cívica. "Der Weg zur Wahrheit und zu einer juristischen Aufarbeitung ist für die Opfer in Mexiko nach wie vor lang und beschwerlich. #MemoriasQueHablan versucht, gegen das Vergessen der Menschen anzugehen. Denn es geht um das Schicksal derjenigen, die ihr Leben riskiert haben, um uns über die Vorgänge in diesem Land zu informieren."

Mexiko ist für Medienschaffende eines der gefährlichsten Länder der Welt. Die Normalisierung der Gewalt in der Gesellschaft und der mangelnde Wille der Behörden, daran etwas grundlegend zu ändern, haben das Land zu einem Ort gemacht, an dem auf Meinungsäußerungen häufig digitale und physische Aggressionen folgen. Die Spirale der Gewalt dreht sich derart schnell, dass sich Gesellschaft, Medien und Organisationen der Zivilgesellschaft in der Regel darauf beschränken, die Menschen zu zählen, die infolge der Gewalt verletzt oder vertrieben wurden, verschwunden oder gestorben sind. 

#MemoriasQueHablan basiert auf den mehrjährigen Erfahrungen der Organisation Propuesta Cívica, die Menschenrechtsverteidigerinnen und Journalisten, die Gewalt erlitten haben, juristisch vertritt. Die Kampagne gibt den Betroffenen ein Gesicht und eine Stimme und analysiert den Kontext, in dem sie jeweils gearbeitet haben. Sie dokumentiert sowohl jede von Propuesta Cívica eingereichte Klage als auch die Herausforderungen, Empfehlungen und die noch ausstehenden Handlungen der Behörden, um den Betroffenen Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen. 

In Mexiko liegt die Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Medienschaffende bei über 90 Prozent; von den 14 seit 2006 verschwundenen Journalistinnen und Journalisten ist bis heute niemand nach Hause zurückgekehrt. Aber wer sind sie, woran haben sie gearbeitet, und was haben die Behörden unternommen, um sie zu finden? Dies sind Fragen, die #MemoriasQueHablan unter mit einer eigens dafür eingerichteten Webseite zu beantworten versucht. Die Seite wird fortlaufend aktualisiert.

Sie zeichnet beispielsweise den Fall von Mauricio Estrada Zamora nach, der am 12. Februar 2008 im Bundesstaat Michoacán verschwand. Der Journalist verließ die Redaktion der Zeitung La Opinión de Apatzingán um 22.00 Uhr, stieg in sein Privatfahrzeug und informierte seine Frau telefonisch darüber, dass er auf dem Heimweg sei. Sein Auto wurde am nächsten Morgen in einer nahe gelegenen Stadt gefunden, aber seitdem fehlt von ihm jede Spur. Zwölf Jahre nach dem Verschwinden von Estrada haben die Staatsanwaltschaft von Michoacán und die Sonderstaatsanwaltschaft für Verbrechen gegen Meinungsfreiheit (FEADLE) bei ihren Ermittlungen keinerlei Fortschritte erzielt.

Das „Defending Voices Program for the Safety of Journalists“ von Reporter ohne Grenzen soll dazu beitragen, in Mexiko und Brasilien sichere Arbeitsumfelder zu schaffen und die Straflosigkeit für Verbrechen gegen Medienschaffende zu bekämpfen. Das Programm wird mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert.



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