Internet 31.10.2019

Facebook-Aufsichtsgremium nicht genug

Facebook Logo auf Smartphone
© picture alliance / empics

Mitte September hat Facebook die Satzung eines neuen Aufsichtsgremiums veröffentlicht, das künftig kontroverse Unternehmensentscheidungen überprüfen und notfalls korrigieren kann. Reporter ohne Grenzen begrüßt die Bemühungen des sozialen Netzwerks, Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Moderation von Inhalten zu erhöhen. Jedoch kritisiert die Organisation, dass die Empfehlungen des Gremiums keinen großen Einfluss auf die Algorithmen haben werden, die Facebook eingeführt hat, um Inhalte auf der Plattform zu moderieren, filtern und kuratieren. 

Das neue Aufsichtsgremium soll aus elf bis 40 Mitgliedern bestehen und die von Facebook sowie Nutzerinnen und Nutzern eingereichten Fälle auswählen und verbindliche Moderationsentscheidungen treffen. Gemäß der Satzung kann Facebook das Gremium um Richtlinienvorschläge bitten und dieses kann Richtlinienempfehlungen aussprechen. Die Richtlinien sind jedoch beratend und unverbindlich. Dies schränkt die Befugnisse und den Einfluss des Aufsichtsgremiums und seiner Entscheidungen ein.

In seiner täglichen Arbeit erlebt Reporter ohne Grenzen, dass die Plattform in vielen Ländern der Welt integraler Teil des nationalen Mediensystems geworden ist, dem sich Journalistinnen und Journalisten nicht mehr entziehen können. Gerade in Ländern mit eingeschränkter Pressefreiheit stellt Facebook einen maßgeblichen Teil der Öffentlichkeit her, sodass Medien nur wegen oder auf Facebook selbst existieren.

Umso schwerer wiegt es daher, wenn Facebook falsche Löschentscheidungen trifft, sich staatlichem Löschdruck unterwirft oder auf Nutzerbeschwerden nicht oder nur unzureichend reagiert. Im November 2018 machte Reporter ohne Grenzen unter anderem auf das Schicksal vieler vietnamesischer Journalistinnen und Journalisten aufmerksam, die auf Facebook nahezu willkürlich gesperrt wurden, obwohl sie in fast allen Fällen nicht gegen die Regeln der Plattform verstoßen hatten.

Doch vor dem Hintergrund, dass täglich zwei Millionen Beiträge markiert werden und 20.000 Einsprüche überprüft werden müssen, wird das Aufsichtsgremium nicht die Kapazitäten haben, jeden Fall zu behandeln. Daher sollte sich Facebook dazu verpflichten, seine Algorithmen auf Basis der Empfehlung des Gremiums zu verbessern.

Hinzu kommt, dass die Satzung des Aufsichtsgremiums nicht auf das Problem der Zensur in autoritären Kontexten eingeht. Immer wieder fordern Regierungen Facebook auf, nationale Gesetze umzusetzen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzen. ROG kritisiert daher, dass die Satzung keine klaren Richtlinien enthält, die besagen, dass internationale Menschenrechtsstandards dem örtlichen Recht übergeordnet werden sollten.

Facebook hat kürzlich die den Gemeinschaftsstandards (Community Standards) zugrundeliegenden Werte aktualisiert, unter anderem um das Engagement des Unternehmens für freie Meinungsäußerung zu fördern. Doch um eine demokratische Debatte zu gewährleisten, reicht die Meinungsfreiheit alleine nicht aus. Tatsächlich schadet es dem demokratischen Prozess, wenn manipulierte Informationen Nutzerinnen und Nutzer beeinflussen. Es sollte allen Nutzerinnen und Nutzer möglich sein, verlässliche Informationen zu suchen, zu empfangen und darauf zuzugreifen. Daher ermutigt Reporter ohne Grenzen Facebook, sich nicht nur für die Meinungsfreiheit, sondern auch für freie, unabhängige, zuverlässige und pluralistische Informationen einzusetzen.

Reporter ohne Grenzen hat kürzlich die Internationale Initiative Information und Demokratie angestoßen. Diese zielt darauf, das Menschenrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit angesichts neuartiger Bedrohungen im digitalen Zeitalter wirksam durchzusetzen. Eine durch Vertreterinnen und Vertreter aus 20 Ländern ins Leben gerufene Partnerschaft soll einen internationalen politischen Prozess in Gang setzen, der – vergleichbar etwa mit den UN-Konferenzen zum Klimaschutz – weltweite Standards für den Schutz unabhängiger und glaubwürdiger Informationen etabliert. Der Multi-Stakeholder-Ansatz der Initiative würde dazu beitragen, das Facebook-Aufsichtsgremium bei der Bewältigung des globalen Informations- und Kommunikationsraums zu unterstützen.

Facebook hatte die Pläne für auf Aufsichtsgremium im November 2018 angekündigt und in mehreren Workshops Impulse und Meinungen für die Gründung eingeholt. Reporter ohne Grenzen hatte Ende Juni an einem Workshop in Berlin teilgenommen.



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