Deutschland 18.11.2016

Regierung plant Spionagebehörde

© picture alliance / dpa

Reporter ohne Grenzen ist besorgt über die Pläne der Bundesregierung, in Deutschland eine Behörde zum Aufbrechen verschlüsselter Kommunikation zu errichten. Nach übereinstimmenden Medienberichten soll durch einen bloßen Beschluss im Haushaltsausschuss die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) ab 2017 ihre Arbeit aufnehmen. Damit bekommen Sicherheitsbehörden bald auch Zugang zu sensibler Kommunikation, die Journalisten bewusst schützen.

„ZITiS stellt einen Paradigmenwechsel dar, weil der Staat erstmals systematisch Kommunikation und Endgeräte angreifen wird. Zwangsläufig werden auch Journalisten betroffen sein, die mit Informanten kommunizieren und dabei ganz bewusst Verschlüsselung einsetzen“, sagte ROG-Vorstandsmitglied Matthias Spielkamp. „Die Bundesregierung muss für ZITiS ein Errichtungsgesetz verfassen, sodass der deutsche Bundestag und die Zivilgesellschaft am Gesetzgebungsverfahren beteiligt werden können.“ Passiere das nicht, so Spielkamp, „schafft die Regierung allein durch die Verabschiedung des Bundeshaushaltes kommende Woche eine Behörde mit weitreichenden Befugnissen, die Pressefreiheit im In- und Ausland massiv schwächen würde.“

ZITiS soll der Bundespolizei, dem Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz dabei helfen, verschlüsselte Nachrichten zu dechiffrieren. Zudem soll sie Technologien entwickeln oder anschaffen, um Nachrichten bereits abzufangen, bevor sie verschlüsselt werden, etwa durch Überwachungsprogramme auf Computern und Smartphones oder das Abfangen von Daten, während sie getippt werden. Damit wäre auch die Kommunikation etwa von Whatsapp oder Facebook betroffen. Bis zu 400 Mitarbeiter sollen in Zukunft für ZITiS arbeiten.

Journalisten müssen vertraulich kommunizieren können

Reporter ohne Grenzen ist in seiner täglichen Arbeit immer wieder mit ausländischen Journalisten konfrontiert, deren Computer und Mobiltelefone gehackt wurden. In vielen Fällen wurde ihre gesamte Kommunikation abgehört und ausgewertet. So spielten während des Arabischen Frühlings Behörden etwa in Ägypten und Marokko Trojaner auf die Geräte von Journalisten und Aktivisten, um sie zu überwachen.

Effektive Verschlüsselung ist für Journalisten essentiell. Informanten müssen sicher sein können, dass ihre Identität geschützt bleibt und sensible Informationen in Redaktionen gut aufgehoben sind. Ist das nicht der Fall, scheuen Informanten im Zweifel die Kontaktaufnahme und der gesellschaftlich wichtige Informationsfluss zu den Medien versiegt. Missstände bleiben unentdeckt, weil Informanten Angst vor Verfolgung haben, wenn sie sich an Journalisten wenden.

Auf diese Gefahren hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem in den Entscheidungen zur Spiegel- und Cicero-Affäre hingewiesen, als Durchsuchungen von Redaktionsräumen das Grundvertrauen in Medien beschädigt hatten. Indem deutsche Sicherheitsbehörden und Geheimdienste nun auch zum Angriff auf Verschlüsselung bemächtigt werden, schwindet das Vertrauen in Journalisten. Aufgrund immer stärkerer Überwachung digitaler Kommunikation ist starke Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für Journalisten mitunter die einzige Chance, vertraulich zu kommunizieren.

Reporter ohne Grenzen treibt die Verbreitung von Verschlüsselungsinstrumenten voran. Im Rahmen des Projektes „Hub of Digital Freedom“ wurden erst kürzlich in Berlin zehn ausländische Journalisten fortgebildet und in digitaler Sicherheit geschult. ZITiS konterkariert solche Ansätze, die Pressefreiheit weltweit zu stärken. Denn auch wenn ZITiS zunächst nur für deutsche Behörden Technologie entwickeln soll, wird verschlüsselte Kommunikation weltweit geschwächt. Durch den immer stärkeren Informationsaustausch von Sicherheitsbehörden weltweit werden erfolgreiche Wege zum Entschlüsseln von kryptografischer Kommunikation weitergegeben werden und am Ende auch in den Händen von Geheim- und Sicherheitsdiensten landen, die Journalisten regelmäßig überwachen.

Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland auf Platz 16 von 180 Staaten.



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