Deutschland
20.06.2019
ROG spricht mit Facebook über Aufsichtsgremium
Reporter ohne Grenzen wird am kommenden Montag und Dienstag (24. und 25. Juni) an einem von Facebook organisierten Workshop teilnehmen, um mit dem Konzern darüber zu diskutieren, wie ein Gremium sinnvoll eine Aufsicht über das Löschen von Inhalten ausüben könnte. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte im November verkündet, ein externes Expertengremium zu schaffen, das kontroverse Entscheidungen des Unternehmens überprüfen und notfalls korrigieren kann. Facebook will sich damit auf globaler Ebene selbst regulieren.
ROG begrüßt im Grundsatz, dass Facebook die jahrelange Kritik an seiner hausinternen und häufig intransparenten Löschpolitik aufgreifen möchte, um mehr Verantwortung für seine Entscheidungen zu übernehmen. In seiner täglichen Arbeit erlebt Reporter ohne Grenzen einerseits, dass die Plattform in vielen Ländern der Welt integraler Teil des nationalen Mediensystems geworden ist, dem sich Journalistinnen und Journalisten nicht mehr entziehen können. Gerade in Ländern mit eingeschränkter Pressefreiheit stellt Facebook einen maßgeblichen Teil der Öffentlichkeit her, sodass Medien nur wegen oder auf Facebook selbst existieren.
Umso schwerer wiegt es daher, wenn Facebook falsche Löschentscheidungen trifft, sich staatlichem Löschdruck unterwirft oder auf Nutzerbeschwerden nicht oder nur unzureichend reagiert. Im November machte ROG unter anderem auf das Schicksal vieler vietnamesischer Journalistinnen und Journalisten aufmerksam, die auf Facebook nahezu willkürlich gesperrt wurden, obwohl sie in fast allen Fällen nicht einmal gegen die Regeln der Plattform verstoßen hatten.
Der Workshop in Berlin ist Teil einer Serie von Veranstaltungen, mit denen Facebook nach eigenen Angaben Impulse und Meinungen für die Gründung des Aufsichtsgremiums einholen möchte. Andere Orte der Workshops sind unter anderem Singapur, Delhi, Nairobi, Berlin, New York und Mexiko-Stadt. Da entscheidende Details über die Zusammensetzung und rechtliche Stellung des Gremiums noch nicht feststehen, kann Reporter ohne Grenzen Facebooks Initiative noch nicht abschließend bewerten.
Daher wird Daniel Moßbrucker, ROG-Referent für Internetfreiheit, am Berliner Workshop teilnehmen, um Erfahrungen aus der praktischen Arbeit mit Journalistinnen und Journalisten zu teilen und Ideen aus dem Bericht Regulierung 2.0 in die Diskussion einzubringen. In dem Bericht macht ROG detaillierte Vorschläge, wie soziale Netzwerke und andere sogenannte Informationsintermediäre demokratisch kontrolliert werden können. Besonders bedeutend ist es für Reporter ohne Grenzen, dass Nutzerinnen und Nutzer eine rechtlich garantierte Widerspruchsmöglichkeit erhalten und ihre Widersprüche im Zweifel auch extern von Facebook in einem öffentlichen Gremium final entschieden werden können.
Eine solche Rolle könnte ein globales Aufsichtsgremium potenziell übernehmen – aber nur, wenn die Auswahl der Fälle und die rechtliche Stellung des Gremiums gegenüber Facebook die Unabhängigkeit eines solchen Gremiums garantieren. In diese Diskussion möchte sich Reporter ohne Grenzen aktiv einbringen und erwartet von Facebook im Gegenzug, mehr Information über den Prozess zu erhalten.
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