Deutschland
31.05.2017
Schutz vor staatlichen Hackerangriffen
Reporter ohne Grenzen fordert die Bundesregierung auf, die Pläne für einen weitreichenden Einsatz von Staatstrojanern zu überarbeiten und Journalisten vor staatlichen Hackerangriffen zu schützen. Kurz vor Ende der Legislaturperiode will Justizminister Heiko Maas die Rechtsgrundlage schaffen, um mit Staatstrojanern verschlüsselte Kommunikation zu überwachen. Gesonderte Schutzrechte für Journalisten sind nicht vorgesehen. Dadurch könnten Ermittler in Zukunft Trojaner auf Computer und Smartphones von Medienvertretern schleusen, um verschlüsselte Gespräche und Chats mit Informanten abzufangen. Maas hatte die Pläne vor zwei Wochen mit einer Formulierungshilfe in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Am Mittwoch (31. Mai) werden die Pläne mit Experten im Rechtsausschuss des Bundestages diskutiert.
„Journalisten sind auf Verschlüsselung angewiesen, um sich vertraulich mit Kollegen und Informanten auszutauschen. Die Pläne von Heiko Maas bewirken, dass es in Deutschland kein digitales Kommunikationsmittel mehr gibt, mit denen Journalisten zweifelsfrei vor Überwachung geschützt sind“, sagte ROG-Vorstandsmitglied Matthias Spielkamp. „Die Große Koalition muss im Gesetz klarstellen, dass Journalisten bei ihrer Arbeit nicht abgehört werden dürfen. Ein Staatstrojaner hat auf dem Handy eines Journalisten nichts verloren.“
Mit dem Gesetzesvorhaben gibt die Bundesregierung jahrelangem Druck der Polizei- und Sicherheitsbehörden nach, verschlüsselte Botschaften abhören zu wollen. Bis auf klassische Telefongespräche, SMS und E-Mails sind die meisten Kommunikationsdienste heute standardmäßig verschlüsselt – insbesondere, wenn sie über das Internet laufen. Die Verschlüsselung ist so stark, dass sie technisch kaum entschlüsselt werden kann. Für Journalisten ist dies eine große Hilfe im Arbeitsalltag.
Trojaner können Nachrichten vor der Verschlüsselung mitschneiden
Staatstrojaner hingegen sind Überwachungsprogramme, die sich unbemerkt auf Computer oder Smartphones installieren und Nachrichten mitschneiden, bevor sie verschlüsselt werden. Dieses Verfahren wird Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) genannt. Es gilt als besonders heikel, weil mit Trojanern das gesamte Gerät, auf dem sie installiert sind, nach Informationen durchsucht werden kann. Reporter ohne Grenzen betreut laufend ausländische Journalisten, die in ihren Heimatländern mit Trojanern gehackt und digital durchleuchtet worden sind. Ganze Recherchen und Informanten-Netzwerke können so von Ermittlern ausgespäht werden.
In Deutschland sollen solche Staatstrojaner sogar immer dann aufgespielt werden können, wenn Ermittler auch eine „normale“ Telekommunikationsüberwachung anordnen dürfen. Journalisten sind davor nicht ausreichend geschützt: Laut Gesetz muss in jedem Einzelfall ein Richter prüfen, ob ein Journalist überwacht werden darf oder der Schutz der Pressefreiheit dies verbietet. Die Installation eines Staatstrojaners etwa auf dem Handy eines Journalisten ist aber ein noch viel gravierenderer Eingriff. Denn somit können auch bereits gespeicherte Inhalte wie zum Beispiel alte E-Mails und Chatverläufe ausspioniert werden und nicht nur die laufende Kommunikation.
In einer Stellungnahme hat Reporter ohne Grenzen begründet, warum die Pläne den engen Grenzen des Bundesverfassungsgerichtes nicht genügen und gerade Journalisten vor Überwachung durch Staatstrojaner geschützt werden müssen. Seit dem maßgeblichen Spiegel-Urteil von 1966 haben die Karlsruher Richter immer wieder betont, dass Journalisten besonders vor staatlichen Ermittlungen geschützt werden müssen. Informanten müssen grundsätzlich auf Anonymität vertrauen können. Staatstrojaner hingegen zerstören dieses grundsätzliche Vertrauen: Wenn nicht einmal mehr die stärkste Verschlüsselung garantiert, dass ein Gespräch mit Journalisten geheim bleibt, nehmen Whistleblower und andere Informanten möglicherweise keinen Kontakt mehr mit Journalisten auf.
Die Kritik von Reporter ohne Grenzen ist umso gewichtiger, weil die Bundesregierung weitere Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes schlichtweg ignoriert. In einem Urteil von 2008 hatten die Richter gefordert, dass eine Quellen-TKÜ nur bei wenigen ausgewählten Straftaten angewendet werden darf, um „laufende Kommunikation“ abzufangen und sofern das Gesetz „technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben“ für den Einsatz enthält. Beides fehlt im Gesetz, stattdessen sollen in Zukunft bei einer ganzen Reihe von Delikten Trojaner eingesetzt werden dürfen – auch, um „gespeicherte Inhalte“ abzugreifen.
2012 unterstützte SPD Überwachungsverbot von Journalisten
Reporter ohne Grenzen fordert daher, die Quellen-Telekommunikationsüberwachung bei Journalisten ohne Ausnahme zu verbieten. Noch besser wäre es jedoch, Journalisten generell vor Überwachung zu schützen und rechtliche Schlupflöcher im maßgeblichen Paragraph 160a der Strafprozessordnung zu schließen. Im Jahr 2012 hat die SPD aus der Opposition heraus diesen Gedanken schon einmal aufgegriffen und in einem „Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit“ in den Bundestag eingebracht.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland auf Platz 16 von 180 Staaten.
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