Tschad
01.02.1997
Besuch im Tschad
"Steht unser Programm für heute Nachmittag?" Die Programmchefin des tschadischen Fernsehens betrachtet die im Regal unter "Freitag" aufgeschichteten U-Matic-Kassetten und weiß, da fehlen noch welche, um die acht Stunden Programm zu füllen, die täglich gesendet werden. "Wir haben noch diesen Film im Archiv, der letzte Woche wegen Stromausfall nicht gesendet wurde, laß uns den nehmen." Die männlichen Kollegen springen, denn Zahara Jacoub gibt dem Kollegen aus Deutschland eigentlich gerade ein Interview.
Zum Alter: "Schreiben sie 30." Sie lacht, wie so oft. So ungewöhnlich wie die Tatsache, daß sie in einem islamisch geprägten Land gerade zur Programmchefin des nationalen Fernsehens wurde, ist die ganze Person. Auf Anraten ihrer Lehrer begann Zahara Jacoub nicht die eigentlich angestrebte Verwaltungsausbildung, sondern wurde Fernsehjournalistin. "Man muß wissen, was man will", sagt sie, "dann erreicht man es auch": Und "Als Frau darf man sich vieles nicht erlauben, aber gerade darum muß man es sich erlauben".
Sie ist eine kämpferische Journalistin geworden, die das Medium bewußt nutzt, um Informationen in einem Land zu verbreiten, in dem 80% Analphabeten sind, und sie weiß, daß besonders die Frauen unter der mangelnden Bildung leiden. Sie versucht sie aufzurütteln. So entstand auch ihr Film 'Dilemme au feminin', der die Beschneidung eines 10jährigen Mädchens zeigt. Diesen sehr sachlichen und einfühlsamen Dokumentarfilm drehte sie bei der Beschneidungsfeier in einer befreundeten Familie. Die Ausstrahlung im tschadischen Fernsehen löste ein heftiges Echo in der Öffentlichkeit aus. Der Imam von N'Djamena rief eine Fatwa gegen Zahara Jacoub aus (s. Rundbrief 9/96), und vier Wochen traute sie sich nicht aus dem Haus.
In dieser Zeit, so sagt sie, hat ihr die Unterstützung aus dem Ausland sehr gut getan und geholfen, darüber hinwegzukommen, daß es auf einmal so schien, als seien alle gegen sie. Sie wurde öffentlich beschimpft und persönlich bedroht, weil sie die muslimische Gemeinde beleidigt hätte. Die Solidarität aus dem Ausland habe ihr geholfen, zu leben und zu überleben. Heute, über ein Jahr danach, kann sie sich wieder frei bewegen und ihrem Beruf nachgehen. Der Aufruf des Iman von N'Djamena verhallte, inzwischen gibt es einen Imam, der sich moderater äußert.
Die ganze Angelegenheit hat Zahara Jacoub ermutigt, sich noch stärker im Kampf gegen die Beschneidung von Frauen zu engagieren. Das Thema war erstmals in der tschadischen Öffentlichkeit diskutiert worden, und sie will dafür sorgen, daß es in der Diskussion bleibt. Im Rahmen einer Sensibilisierungskampagne soll ihr Film im ganzen Land als Video vorgeführt werden. (Das tschadische Fernsehen sendet nur im Umkreis der Hauptstadt N'Djamena.) Die Reaktion der Frauen auf den Film möchte sie dokumentieren, - und das wird dann ihr nächster Film.
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