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Türkei

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 158 von 180
Türkei 26.04.2018

Mehrjährige Haftstrafen im Cumhuriyet-Prozess

Cumhuriyet-Geschäftsführer Akin Atalay nach seiner Freilassung. © picture alliance / abaca

Reporter ohne Grenzen ist schockiert über das Urteil gegen 14 Mitarbeiter der regierungskritischen türkischen Zeitung Cumhuriyet. Ein Gericht im Hochsicherheitsgefängnis Silivri nahe Istanbul verhängte gegen sie am Mittwochabend mehrjährige Haftstrafen. Bis zu einem Urteil im Berufungsverfahrens bleiben die Mitarbeiter auf freiem Fuß, sie dürfen die Türkei jedoch nicht verlassen.

Cumhuriyet ist in der Türkei mehr als eine regierungskritische Zeitung. Sie steht symbolisch für den mutigen Kampf der wenigen noch verbliebenen unabhängigen Medien gegen die beispiellose Verfolgung kritischer Journalisten“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Das Urteil ist ein Schlag gegen die Pressefreiheit und eine Schande für den türkischen Staat. Während Präsident Erdogan Rechtsstaatlichkeit vorgaukelt, sorgt die Willkürjustiz im Land dafür, dass kritische Stimmen verstummen."

Mihr fügte hinzu: „Das heutige Urteil zeigt einmal mehr, dass wir auch nach der Freilassung von Deniz Yücel in die Türkei schauen müssen, wo unabhängiger Journalismus kriminalisiert wird.“

Cumhuriyet-Geschäftsführer Akin Atalay, Chefredakteur Murat Sabuncu, Investigativjournalist Ahmet Sik, die Kolumnisten Kadri Gürsel und Hikmet Cetinkaya, Karikaturist Musa Kart, der ehemalige kommissarischer Chefredakteur Aydın Engin sowie die Mitarbeiter Bülent Utku, Güray Öz, Önder Çelik, Mustafa Kemal Güngör, Hakan Karasınır und Orhan Erinç wurden wegen „Unterstützung einer terroristischen Organisation“ zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb Jahren und acht Jahren und sechs Wochen verurteilt. Den Buchhalter der Zeitung, Emre Iper, verurteilte das Gericht wegen „Terrorpropaganda“ zu drei Jahren und sechs Wochen Gefängnis.

Die Mitarbeiter Günseli Özaltay, Bülent Yener und Turhan Günay wurden freigesprochen. Die Verfahren gegen den ehemaligen Chefredakteur Can Dündar und den Reporter Ilhan Tanir, die beide aus der Türkei geflohen sind, werden separat verhandelt.

Mitarbeiter saßen schon lange in Untersuchungshaft

Schon vor dem heutigen Urteil wurden die Angeklagten durch ihre lange Untersuchungshaft bestraft. Cumhuriyet-Geschäftsführer Akin Atalay saß fast 18 Monate im Gefängnis. Er war im November 2016 nach der Rückreise aus Deutschland am Flughafen in Istanbul festgenommen worden. Einen Monat zuvor waren weitere Mitarbeiter der Zeitung festgenommen worden, darunter auch Chefredakteur Sabuncu. Im Verlauf des Prozesses, der im Juli 2017 begann, wurden mit Ausnahme Atalays alle inhaftierten Mitarbeiter bis zu einem Urteil vorläufig freigelassen. Nach dem gestrigen Urteil wurde auch Atalays Untersuchungshaft aufgehoben. 

Die türkische Justiz wirft den Mitarbeitern der Zeitung eine „radikale Veränderung der redaktionellen Ausrichtung“ vor, um die Ziele der in der Türkei als terroristische Organisationen eingestuften religiösen Gülen-Bewegung, der militanten kurdischen Untergrundbewegung PKK und der linksextremen Splittergruppe DHKP/C zu unterstützen. An den drei ideologisch völlig konträren Gruppierungen hat Cumhuriyet stets deutliche Kritik geübt. Die Anklageschrift ist von sachlichen Fehlern durchzogen und stützt sich vor allem auf falsche Interpretationen von Zeitungsartikeln sowie auf Kontakte zwischen Journalisten und ihren Informanten.

Reporter ohne Grenzen hat dem Gericht in Istanbul ein Rechtsgutachten (Amicus-Brief) vorgelegt. Darin kritisiert die Organisation, dass das Recht der Angeklagten auf einen fairen Prozess und auf freie Meinungsäußerung verletzt wurde. 

Cumhuriyet ist eine der ältesten Zeitungen in der Türkei und eines der wenigen noch verbliebenen unabhängigen Medien im Land. Im November 2015 hat ROG die Zeitung als Medium des Jahres ausgezeichnet.

Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen diese Woche veröffentlicht hat, hat sich die Türkei um weitere zwei Plätze verschlechtert und steht nun auf Platz 157 von 180 Ländern.



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