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Türkei

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 158 von 180
Saudi-Arabien / Türkei 19.11.2020

RSF beobachtet Khashoggi-Prozess

Jamal Khashoggi auf einem Plakat in Istanbul.
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Emrah Gurel

Zur Fortsetzung des Khashoggi-Mordprozesses in der Türkei wird Reporter ohne Grenzen in der kommenden Woche in Istanbul vor Ort sein. RSF beobachtet den Prozess intensiv und bemüht sich um eine Zulassung als Nebenklägerin. Am Dienstag (24.11.) werden Geschäftsführer Christian Mihr, die Direktorin für internationale Kampagnen Rebecca Vincent und Türkei-Repräsentant Erol Önderoglu in Istanbul vor Ort sein und für Medieninterviews zur Verfügung stehen.

„Saudi-Arabien versucht den Eindruck zu erwecken, es habe den Mord an Jamal Khashoggi juristisch abschließend geklärt, doch das Gegenteil ist der Fall“, sagte RSF-Geschäftsführer Mihr. „Allen Unzulänglichkeiten der türkischen Justiz zum Trotz macht der Prozess in Istanbul Hoffnung, dass die vielen offenen Fragen um dieses grausame und dreiste Verbrechen doch noch aufgeklärt werden können. Entscheidend ist jetzt, dass das Verfahren transparent und nach rechtsstaatlichen Maßstäben geführt wird.“

Die türkische Staatsanwaltschaft wirft 20 saudi-arabischen Staatsbürgern in Abwesenheit vor, an der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul 2018 beteiligt gewesen zu sein. Die Anschuldigungen reichen von Anstiftung zum Mord an Khashoggi bis zu dessen Ausführung. Unter den Beschuldigten sind auch der frühere Vize-Geheimdienstchef Saudi-Arabiens sowie der ehemalige Medienberater von Kronprinz Mohammed bin Salman, Saud al-Kahtani.

Intransparente Verfahren in Saudi-Arabien

In Saudi-Arabien wurden für den Mord inzwischen acht Männer rechtskräftig zu sieben bis 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Drei weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Sowohl der ursprüngliche Prozess 2019 als auch das Berufungsverfahren in diesem Jahr fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und entsprachen rechtsstaatlichen Anforderungen in keiner Weise. Die Namen der Verurteilten sind bis heute nicht bekannt, die Frage nach der politischen Verantwortung für den Mord blieb ungeklärt. Stattdessen bestätigte die Justiz entgegen allen bekannten Fakten die offizielle Darstellung des Königreichs, das Verbrechen sei nicht geplant gewesen.

RSF hat wiederholt gefordert, den Mord durch eine transparente internationale Untersuchung aufzuarbeiten. Im vergangenen Jahr war dazu eine internationale RSF-Delegation in Saudi-Arabien und hat sich gegenüber saudi-arabischen Regierungsvertretern dafür eingesetzt. Auch die UN- Sonderberichterstatterin zu außergerichtlichen Hinrichtungen, Agnes Callamard, fordert ein rechtsstaatliches Verfahren zum Khashoggi-Mord. Sie hat das Verbrechen eingehend untersucht und kam zu dem Schluss, dass es hinreichende Anhaltspunkte für weitergehende Ermittlungen zur Verwicklung der saudi-arabischen Führung in die Tat gebe.

Zeugenaussagen bringen neue Einzelheiten zutage

Zum Auftakt des Prozesses in Istanbul am 3. Juli waren neue Einzelheiten ans Licht gekommen. Acht Zeugen wurden unter anderem zum möglichen Verbleib der Leiche befragt, die vermutlich noch vor Ort zerstückelt und dann weggebracht wurde. Außerdem kam Khashoggis Verlobte Hatice Cengiz zu Wort, die sich für eine glaubwürdige Aufarbeitung des Mordes einsetzt und in den USA versucht, unter anderem gegen Kronprinz Mohammed bin Salman persönlich gerichtlich vorzugehen. Diese Woche hielt sie sich auf Einladung von RSF zu politischen Gesprächen in Berlin auf.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Saudi-Arabien auf Platz 170, die Türkei auf Platz 154 von 180 Staaten.



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