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Ukraine

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 61 von 180
Ukraine-Krieg 02.06.2022

RSF reicht fünfte Strafanzeige gegen Russland ein

Der französische Journalist Frédéric Leclerc-Imhoff ist am 30. Mai durch einen Granatsplitter getötet worden.
Der französische Journalist Frédéric Leclerc-Imhoff ist am 30. Mai durch einen Granatsplitter getötet worden. Er wurde 32 Jahre alt. © picture alliance / Associated Press / Uncredited

Der achte getötete Journalist im Ukraine-Krieg: Der französische Videoreporter Frédéric Leclerc-Imhoff ist auf dem Weg zu Dreharbeiten in der Ostukraine ums Leben gekommen. Geschosssplitter durchschlugen die Windschutzscheibe seines gepanzerten Fahrzeugs und verwundeten den auf dem Vordersitz sitzenden Journalisten des Nachrichtensenders BFMTV tödlich am Hals. Bei dem Vorfall vom Montag (30.05.)in der umkämpften Stadt Lyssytschansk wurden sein Kollege Maxime Brandstaetter und die ukrainische Fixerin Oksana Leuta leicht verletzt.  

"Wir sind entsetzt über diese Tragödie und drücken den Angehörigen unser tief empfundenes Beileid aus", erklärte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (RSF). "Der Tod von Frédéric Leclerc-Imhoff verdeutlicht einmal mehr, welchen enormen Gefahren unabhängige Journalistinnen und Journalisten während der Berichterstattung in der Ukraine ausgesetzt sind. Die russische Armee führt einen gezielten Krieg gegen kritische Medienschaffende, um unabhängige Informationen aus dem Kriegsgebiet zu unterdrücken."

Seit Beginn der russischen Invasion wurden in der Ukraine insgesamt acht Medienschaffende getötet und 14 weitere verletzt. RSF dokumentierte mehr als 50 Angriffe, die mehr als 120 Journalistinnen und Reporter betreffen. Zur Untersuchung dieser Kriegsverbrechen hat RSF am 27. Mai beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zum fünften Mal Strafanzeige gegen Russland eingereicht.

Unabhängige Medienschaffenden werden eingeschüchtert­­­

Unabhängige Journalistinnen und Journalisten werden in den von Russland besetzten Gebieten massiv eingeschüchtert: In E-Mails oder Textnachrichten wird ihnen mit Prozessen, Gefängnis, Folter und Mord gedroht. Sie sollen so zur Beendigung der Berichterstattung gezwungen werden – oder zur Arbeit für die Besatzer. Um Medienschaffende zur Kollaboration zu zwingen, wurden beispielsweise am 8. März etwa 50 Journalisten und Reporterinnen mehrere Stunden lang in einer Redaktion in Berdjansk festgehalten. Dabei wurden mehrere Redakteurinnen und Redakteure verprügelt. Der Vater der ukrainischen Journalistin Switlana Salisetska wurde drei Tage lang als Geisel gehalten, um sie zur Kooperation zu bewegen.

Auch willkürliche Verhaftungen und Entführungen unabhängiger Medienschaffender sind in den russisch kontrollierten Gebieten an der Tagesordnung. RSF sind mindestens 13 Journalistinnen und Journalisten bekannt, die entführt oder für einige Stunden bis mehrere Tage festgehalten wurden. Für ihre Verhaftung erstellen die russischen Besatzungsbehörden spezielle Listen.

Die Verschleppten sind völliger Willkür ausgeliefert: Um wieder freigelassen zu werden, musste die am 12. März in Berdjansk festgenommene Hörfunkjournalistin Wiktorija Roschtschina beispielsweise ein Video aufnehmen. In diesem erklärt die Redakteurin des Senders Hromadske Radio unter Zwang, dass die russischen Streitkräfte sie gut behandelt und ihr Leben gerettet hätten. Noch schlimmer erging es dem in Kachowka (Gebiet Cherson) acht Tage verschleppten Journalisten Oleg Baturin, der gefoltert wurde. Misshandelt wurde auch ein bei Kyjiw entführter Reporter von Radio France, der anonym bleiben möchte.

Reporterinnen und Reporter verschwinden spurlos

Mindestens zwei Journalisten überlebten die Verschleppungen nicht. Der leblose Körper des ukrainischen Journalisten Maks Levin wurde am 1. April fast drei Wochen nach seinem Verschwinden während der Arbeit an einer Reportage gefunden. Er hatte zwei Schusswunden am Kopf. Für internationales Entsetzen sorgte der Fall des litauischen Dokumentarfilmers Mantas Kvedaravičius, welcher während Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm in Mariupol entführt wurde. Fünf Tage später fand man seine Leiche mit Brandwunden und gebrochenen Beinen. Die Todesursache scheint ein Schuss gewesen zu sein.

Mehrere von den Russen verschleppte Medienschaffende bleiben bislang verschollen. So gilt der am 4. März entführte Journalist Dmitro Khyliuk offiziell als vermisst. Nach Informationen von RSF werden zudem 14 Reporter und Journalistinnen in Mariupol vermisst.

­RSF betreibt mit seiner langjährigen ukrainischen Partnerorganisation, dem Institut für Masseninformation (IMI), zwei Zentren für Pressefreiheit im westukrainischen Lwiw und der Hauptstadt Kyjiw. Journalistinnen und Journalisten können dort Schutzausrüstung wie kugelsichere Westen ausleihen oder Sicherheitstrainings absolvieren. Bislang hat RSF 577 Schutzwesten, 249 kugelsichere Helme, 250 solarbetriebene externe Batterien und 1011 Erste-Hilfe-Kits in die Ukraine gebracht. Etwa 70 Prozent des Materials wurde an ukrainische Medienschaffende ausgegeben, insgesamt an etwa 400 Personen. Ein Viertel davon sind Frauen. Die Zentren für Pressefreiheit sind zudem als Anlaufstelle für Journalistinnen und Reporter gedacht, die finanzielle oder psychologische Unterstützung suchen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Ukraine auf Platz 106, Russland auf Platz 155 von 180 Staaten.



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