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Kampf gegen SLAPPs 10.11.2023

Offener Brief an die EU

Flaggen der EU-Mitgliedsstaaten vor dem Europäischen Parlament in Straßburg
Das Europäische Parlament in Straßburg © picture alliance | Daniel Kalker

74 Organisationen der Zivilgesellschaft haben schriftlich ihre Bedenken bezüglich des aktuellen Stands im Trilog-Verfahren der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Rats der Europäischen Union zur sogenannten „Anti-SLAPP-Richtlinie“ (“Strategic Lawsuits Against Public Participation“, kurz: SLAPP) geäußert. Reporter ohne Grenzen (RSF) ruft die europäischen Institutionen dringend dazu auf, eine Anti-SLAPP-Richtlinie auszuhandeln, welche einen wirksamen Schutz von Menschenrechts-NGOs und investigativen Journalistinnen und Journalisten gewährleistet.

„Es wäre fatal, diese historische Chance für einen wirksamen Schutz vor Einschüchterungsklagen zu verpassen“, kommentiert RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. Neben Amnesty International, dem Committee to Protect Journalists oder Greenpeace European Unit hat auch Reporter ohne Grenzen den offenen Brief am 8. November 2023 unterschrieben.

Die Europäische Union muss fest an der Seite derjenigen stehen, die mit juristischen Mitteln mundtot gemacht werden sollen. Die Trilog-Verhandlungen zur erwarteten Richtlinie zur Bekämpfung von SLAPPs nähern sich dem Ende, und die 74 unterzeichnenden Organisationen schlagen Alarm: Die Anti-SLAPP-Richtlinie wird nicht in der Lage sein, das wachsende Problem von SLAPPs in der EU anzugehen, da einige Schlüsselbestimmungen fehlen.

Unter diese Bestimmungen fällt in erster Linie ein wirksamer Mechanismus zur frühzeitigen Zurückweisung aller SLAPP-Klagen. Sofern die Richtlinie nicht sicherstellt, dass offensichtlich unbegründete Klagen in der frühesten Phase des Verfahrens vorzeitig eingestellt werden, wie es das Europäische Parlament gefordert hat, wird die Richtlinie viel von ihrer Wirksamkeit einbüßen.

Ein weiteres Problem: Wenn die Definition von „grenzüberschreitenden“ („cross-border“)  SLAPP-Fällen gestrichen wird, würde sich der Begriff der grenzüberschreitenden Fälle nur noch auf Fälle beziehen, in denen die Klagenden und die Beklagten in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind. Dies bedeutet, dass die Richtlinie nur in wenigen Fällen anwendbar wäre. Tausende von tatsächlichen und potenziellen SLAPP-Zielpersonen werden keine der durch die Richtlinie eingeführten Schutzmaßnahmen gegen SLAPP nutzen können.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Bestimmungen über den Schadenersatz vollständig in das Ermessen der Mitgliedstaaten und Gerichte gestellt werden, was zu ungleichen Entschädigungsmechanismen in verschiedenen Ländern führen würde. Ein Verzicht auf Mindeststandards für Entschädigungen wäre bedauerlich, da eine vollständige Entschädigung in jeder Anti-SLAPP-Gesetzgebung, die diesen Namen verdient, unabdingbar ist. Zudem muss die Möglichkeit der Entschädigung für SLAPP-Opfer sowie ihre abschreckende Wirkung auf mächtige Akteure berücksichtigt werden, welche die Einleitung ähnlicher missbräuchlicher Verfahren in Betracht ziehen.

Im Laufe der vergangenen Jahre haben die Mitgliedsorganisationen der Coalition Against Slapps in Europe (CASE) der Kommission, dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten fachkundige und fundierte Informationen bereitgestellt, um die Diskussionen über das Gesetz so informiert wie möglich zu gestalten. In dieser entscheidenden Phase scheint es jedoch so, als ob der Beitrag von CASE, zu der auch RSF gehört, ignoriert wurde.

RSF lehnt es ab, dies als eine verpasste Gelegenheit hinzunehmen. Man werde keine abgeschwächte Richtlinie befürworten, die keinen effektiven Schutz für Journalistinnen und Journalisten, Medienschaffende, Aktivistinnen und Aktivisten und zivilgesellschaftliche Organisationen in Europa bietet. Vielmehr sollten die Vorschläge der zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure als Vorlage für ambitionierte Anti-SLAPP-Gesetze in Europa und darüber hinaus dienen.

Jetzt, da sich die Richtlinie in der Endphase der Trilog-Verhandlungen befindet, fordern die beteiligten Organisationen den Rat und das Parlament auf, mit Unterstützung der Kommission ein solides Instrument zu schaffen, das seinen Zweck erfüllt und nicht nur eine Formalität ist.

Am 16. November treffen sich in Berlin, organisiert durch das No-SLAPP-Bündnis Deutschland, Expertinnen, Betroffene und Juristen zum Austausch. Weitere Informationen finden Sie hier.

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