Usbekistan
19.11.2008
10 Jahre Gefängnis für den usbekischen Journalisten Salidschon Abdurachmanow: Berufungsgericht bestätigt Urteil
Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilt die heutige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von Karakalpakstan, an der zehnjährigen Haftstrafe für Salidschon Abdurachmanow wegen angeblichen Drogenhandels festzuhalten. „Die Entscheidung bestätigt unsere Befürchtungen: Die usbekische Regierung hat nichts für die Verbesserung der Lage der Menschenrechte und Pressefreiheit getan. Journalisten, die unabhängig und unerschrocken berichten, werden immer noch verfolgt und bestraft“, erklärt ROG.
Das Oberste Gericht in Nukus, der Hauptstadt der usbekischen Teilrepublik Karakalpakstan, hat sein Berufungsurteil nach einer fast fünfstündigen Verhandlung gefällt. Das Gericht hat seine Entscheidung nicht begründet und Argumente zur Verteidigung des Angeklagten nicht berücksichtigt. Bahrom Abdurachmanow, der Anwalt und Bruder des Journalisten, hat einige problematische Aspekte der Anklage vorgetragen, um zu beweisen, dass die Verhaftung von Abdurachmanow geplant gewesen ist und die Behörden die Absicht hatten, den kritischen Journalisten zu bestrafen.
Abdurachmanow wurde am 10. Oktober 2008 durch ein Gericht in Nukus zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Die anfängliche Anklage, „Drogenkonsum ohne Absicht des Weiterverkaufs“, wurde fallengelassen, nachdem medizinische Untersuchungen bewiesen haben, dass der Journalist keine Drogen konsumiert hatte. Abdurachmanow wurde anschließend auf Basis des Artikels 25-273, Abs. 5 des Strafgesetzbuchs wegen „Drogenhandels mit Absicht des Weiterverkaufs“ verurteilt.
Während des heutigen Berufungsverfahrens stellten die Richter keine Fragen über die Herkunft der Drogen oder über die angeblichen Drogenkunden von Abdurachmanow. Dagegen befragte das Gericht den Journalisten lange über seinen Einsatz für die Menschenrechte.
„Es gibt noch eine weitere Möglichkeit einer Berufung. Wir hoffen, dass Salidschon Abdurachmanow bei einer Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof Usbekistans angehört wird. Wir appellieren an die Behörden, sich von den gerichtlichen Instanzen in Karakalpakstan zu distanzieren und den Journalisten und Menschenrechtsaktivisten freizusprechen“, so ROG.
Weitere Informationen:
Anja Viohl, Reporter ohne Grenzen
Tel.: 030/6158585
presse@reporter-ohne-grenzen.de
________________________________________________________________________________________________________________________
Pressemitteilung vom 19.11.08, 12.07 Uhr
Berufungsverfahren gegen usbekischen Journalisten Salidschon Abdurachmanow eröffnet
Zum heute beginnenden Berufungsprozess gegen Salidschon Abdurachmanow fordert Reporter ohne Grenzen (ROG) die usbekischen Justizbehörden auf, den Journalisten frei zu lassen. Der Journalist und Menschenrechtsaktivist wurde am 10. Oktober 2008 zu zehn Jahren Haft wegen angeblichen Drogenhandels verurteilt. Heute entscheidet der Oberste Gerichtshof in Karakalpakstan, eine autonome Teilrepublik im Osten Usbekistans, ob das Urteil fortbesteht.
„Die letzte unabhängige Stimme aus Karakalpakstan darf nicht verstummen. Die Anklage gegen Abdurachmanow ist nicht stichhaltig, seine Schuld kann nicht bewiesen werden. Die Behörden sollten deswegen eine strafrechtliche Verfolgung aufgeben. Die usbekische Justiz würde damit ein Signal setzen: Sie würde zeigen, dass sie sich nicht kompromittieren und als Instrument der Repression gegen Journalisten ausnutzen lässt“, appelliert ROG an die Behörden.
„Wenn das Gericht das Urteil aus erster Instanz bestätigt, muss sich die Europäische Union endlich die Frage stellen, ob ihre Entscheidung am 13. Oktober über die Aufhebung der Sanktionen gegen Usbekistan noch gerechtfertigt ist“, kritisiert ROG. Medienberichten und inoffiziellen Quellen zufolge reiste der umstrittene Leiter des usbekischen Nationalen Sicherheitsdienstes, Rustam Inojatow, nach Aufhebung des Einreiseverbotes am 23. Oktober nach Deutschland. Aus der Sicht von ROG wäre es angesichts der kritischen Lage der Menschenrechte und Pressefreiheit in Usbekistan völlig unverständlich, wenn die deutschen Behörden die Einreise genehmigt und Inojatow empfangen hätten.
Abdurachmanow wurde am 10. Oktober 2008 durch ein Gericht in Nukus, der Hauptstadt Karakalpakstans, zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Die anfängliche Anklage, „Drogenkonsum ohne Absicht des Weiterverkaufs“, wurde fallengelassen, nachdem medizinische Untersuchungen bewiesen, dass der Journalist keine Drogen konsumiert hatte. Abdurachmanow wurde anschließend auf Basis des Artikels 25-273, Abs. 5 des usbekischen Strafgesetzbuchs wegen „Drogenhandels mit Absicht des Weiterverkaufs“ verurteilt.
Nach Auskünften der Polizei wurden am 7. Juni nach einer „Routinekontrolle“ in Nukus 114 Gramm Marihuana und fünf Gramm Opium im Kofferraum des Autos von Abdurachmanow gefunden. Als das Auto des Journalisten von der Verkehrspolizei angehalten wurde, um die Papiere des Fahrers zu kontrollieren, riefen die Beamten Kollegen zur Verstärkung. Die zusätzlichen Kräfte kamen mit Spürhunden und stießen dann angeblich auf Drogen. Die Polizei nahm die Kontrolle und die Verhaftung mit einer digitalen Videokamera auf.
Während des Prozesses in erster Instanz hat Abdurachmanows Verteidigung wiederholt gefordert, diese Videoaufnahmen zeigen. Die Staatsanwaltschaft hatte das zunächst abgelehnt. Am Ende des Prozesses ließ sie doch noch zwei Videokassetten produzieren. Auf dem Material war aber nicht der Moment zu sehen, als die Polizisten die Drogen fanden. Auch der Einsatz von Spürhunden im und am Auto des Angeklagten war nicht dokumentiert. Nach Information von Abdurachmanows Anwaltes fehlen rund 40 Minuten auf dem Band. Diese Umstände bestärken die Hypothese, dass die Polizeikontrolle ein geplanter Einsatz und keine Routine war. Schließlich bleibt fragwürdig, warum die Staatsanwaltschaft nicht das gesamte Videomaterial zeigen ließ.
Weitere Informationen:
Anja Viohl, Reporter ohne Grenzen
Tel.: 030/6158585
presse@reporter-ohne-grenzen.de
Folgen Sie uns!