Usbekistan
13.11.2017
Deutsche Wirtschaft muss Zensur ansprechen
Zum ersten Besuch des usbekischen Premierministers Abdulla Aripow heute in Deutschland fordert Reporter ohne Grenzen seine Gesprächspartner auf, die verheerende Lage von Journalisten und fehlende Pressefreiheit in dem zentralasiatischen Land nicht aus dem Blick zu verlieren. Aripow tritt am heutigen Dienstagnachmittag in München bei einer Konferenz des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft auf und eröffnet dort morgen eine Deutsch-Usbekische Wirtschaftskonferenz.
„Ein Land wie Usbekistan in der Konferenzeinladung als ‚Top-Performer‘ und ‚Markt mit großem Potential‘ zu rühmen, ohne die massiven Menschenrechtsverletzungen dort anzusprechen, ist im höchsten Maße zynisch“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. „In ihrem eigenen Interesse sollten sich auch Vertreter der deutschen Wirtschaft dafür einsetzen, dass ausländische Korrespondenten ungehindert in Usbekistan recherchieren dürfen und einheimische Berichterstatter nicht für kritische Artikel ins Gefängnis kommen.“
Ausländische Reporter dürfen nicht berichten
Ausländische Medien können derzeit kaum aus Usbekistan berichten. Mehrfach wurde Fernsehteams in der Vergangenheit die Einreise verweigert oder sie erhielten nur derart eingeschränkte Drehgenehmigungen, dass unabhängige Berichterstattung unmöglich war. Zuletzt traf es Anfang November ein Team des österreichischen Fernsehens ORF, dem für eine Reportagereise kein Visum ausgestellt wurde.
In Usbekistan selbst gibt es praktisch keine unabhängigen Medien mehr, kritische Journalisten werden systematisch überwacht, eingeschüchtert und verfolgt. Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit steht Usbekistan weit abgeschlagen auf Platz 169 von 180 Ländern. Zehn Journalisten sitzen dort zurzeit im Gefängnis, zum Teil unter katastrophalen Bedingungen. Immer wieder wird über Folter und Einzelhaft berichtet.
Nach dem Tod von Präsident Islam Karimow im August 2016 war zunächst die Hoffnung aufgekommen, das Regime könnte künftig mehr Freiräume zulassen. Karimow hatte das Land 25 Jahre lang diktatorisch regiert. An seinen Nachfolger Schawkat Mirsijajew appellierte ROG zu dessen Amtsantritt im Dezember 2016, endlich die Arbeit unabhängiger Medien zu erlauben und inhaftierte Journalisten freizulassen.
Neue Festnahmen nach dem Machtwechsel
Die politischen Signale sind seitdem jedoch widersprüchlich. Einerseits wurden unter Mirsijajew mehrere prominente Häftlinge entlassen: So kam im Februar nach 18 Jahren im Gefängnis der 62-jährige Muhammad Bekschanow, frei, einer der weltweit am längsten für seine Arbeit inhaftierten Journalisten. Anfang Oktober ließen die Behörden den Reporter Salidschon Abdurachmanow, der über die Austrocknung des Aralsees berichtet hatte, nach neun Jahren vorzeitig frei. Mehr als zehn Jahre nach seiner Zwangseinweisung in eine psychiatrische Klinik wurde im März zudem der Journalist Jamschid Karimow entlassen.
Gleichzeitig werden immer wieder Regimekritiker festgenommen. So ist der freie Journalist Bobomurod Abdullajew seit Ende September im Gewahrsam des Geheimdienstes. Er hatte unter anderem für die unabhängige Nachrichtenseite Ferghana News, das Institute for War and Peace Reporting und für Radio Ozodlik gearbeitet, die usbekische Redaktion von Radio Free Europe/Radio Liberty. Abdullajew drohen zwischen zehn und zwanzig Jahre Haft, weil er in seinen Texten angeblich zum Sturz der Regierung aufgerufen habe. In den ersten Wochen durfte er weder seinen Anwalt noch seine Familie sehen.
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