Usbekistan
08.11.2013
EU beim Menschenrechtsdialog unglaubwürdig
Anlässlich des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Usbekistan, der heute (8. November) stattfindet, fordert Reporter ohne Grenzen (ROG) deutsche und europäische Politiker auf, vehementer als bisher gegen die Verfolgung unabhängiger Journalisten in dem zentralasiatischen Land zu protestieren. In Usbekistan existieren praktisch keine unabhängigen Medien, mindestens neun Journalisten sitzen zum Teil unter unmenschlichen Bedingungen im Gefängnis. „Die EU verliert ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie auf Dialog und Kooperation mit einer derart repressiven Regierung setzt, ohne sich nachdrücklich für die Rechte der Menschen in Usbekistan einzusetzen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Dass der Menschenrechtsdialog mit Usbekistan hinter verschlossenen Türen stattfindet und die Öffentlichkeit kaum darüber informiert wird, beobachten wir mit Befremden.“
Deutschland trägt dabei eine besondere Verantwortung: Seit Juni 2012 ist die deutsche Diplomatin Patricia Flor EU-Sonderbeauftragte für Zentralasien, die EU-Zentralasienstrategie „Partnerschaft für die Zukunft“ wurde 2007 auf Initiative der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hin beschlossen. „Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung Menschenrechtsverletzungen in Usbekistan deutlicher anspricht“, so ROG-Geschäftsführer Mihr. Im Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU hat sich Usbekistan 1999 nicht nur zu den Menschenrechten und demokratischen Prinzipien bekannt, sondern auch zugesichert, „die Entwicklung neuer Medien zu unterstützen“ (Art. 64). „Wenn Deutschland ein ernstzunehmender Akteur in der internationalen Menschenrechtspolitik bleiben will, muss es darauf bestehen, dass Usbekistan diese Verpflichtungen einhält“, so Christian Mihr.
Usbekistan steht auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 164 von 179 Staaten, im GUS-Raum ist die Situation nur im Nachbarstaat Turkmenistan noch schlechter. Präsident Islam Karimow zählt zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit. Unabhängige Zeitungen oder Rundfunksender existieren in Usbekistan nicht, Kontakte ins Ausland werden so gut es geht verhindert. So dürfen Journalisten staatlicher Medien nur nach Erlaubnis der Regierung mit ausländischen Diplomaten sprechen. Seit Oktober 2012 kontrolliert eine dem Präsidenten unterstellte Behörde für Kommunikation und Information, ob sich Medien an dessen Vorgaben für die Berichterstattung halten.
Auch die Zensur des Internets hat das usbekische Regime erheblich verschärft. Seiten internationaler Menschenrechtsorganisationen sind ebenso wenig zugänglich wie kritische Nachrichtenportale, die aus dem Exil über Usbekistan berichten (uznews.net, fergananews.com, uzmetronom.com). Auch der Zugang zu Software, mit der sich Internetzensur umgehen lässt (Proxyserver, Virtual Private Networks), ist oft blockiert. Wer sich in sozialen Netzwerken kritisch äußert, kann anhand seiner IP-Adresse identifiziert und zum Verhör vorgeladen werden. Usbekische Internet Service Provider und Mobilfunkanbieter sind angehalten, die Behörden zu informieren, wenn gehäuft „verdächtige“ Nachrichten zirkulieren. Im Extremfall können sie vom Staat aufgefordert werden, ihre Netzwerke abzuschalten.
Reporter ohne Grenzen fordert die EU auf, sich für die Freilassung der neun Journalisten einzusetzen, die in Usbekistan wegen ihrer Arbeit in Haft sind. Die meisten von ihnen sitzen nach fingierten Gerichtsprozessen wegen angeblichem Handel mit Drogen, Terrorismus oder Beleidigung der Nation im Gefängnis, wo sie unter katastrophalen hygienischen Zuständen und teilweise unter Folter leiden. Besorgt ist ROG vor allem um den 63-jährigen Solidschon Abdurachmanow, der seit 2008 im Gefängnis sitzt und schwer erkrankt ist. Zwei weitere Journalisten, Jusuf Rusimuradow und Mohammed Bekjanow von der Oppositionszeitung Erk, sitzen seit mehr als 14 Jahren im Gefängnis und gehören damit zu den am längsten inhaftierten Journalisten auf der Welt.
Weitere Informationen zu Usbekistan finden Sie hier (in englischer Sprache).
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