Usbekistan
17.05.2005
Freier Zugang zu Information muss wieder hergestellt werden
Berlin/Paris, 17.Mai 2005. Reporter ohne Grenzen ist alarmiert angesichts des Nachrichten-Vakuums in Usbekistan. Die Organisation forderte Repräsentanten der EU und der USA in Taschkent auf, Druck auf Präsident Islam Karimov auszuüben, damit dieser unabhängige Informationen und Nachrichten aus der Region umgehend wieder zulässt.
In der Nacht vom 13. auf den 14. Mai wurden alle ausländischen Journalisten aus der Stadt Andidschan ausgewiesen. Seither ist es keinem Journalisten mehr gelungen, aus dem Gebiet zu berichten. Die Stadt wurde durch Last- und Panzerwagen des Militärs und der Polizei abgesperrt.
„Es muss gewährleistet werden, dass usbekische sowie ausländische Journalisten frei recherchieren können. Sie müssen in dieser entscheidenden Zeit die zivile usbekische Bevölkerung und die Weltöffentlichkeit über die politischen und sozialen Entwicklungen informieren,“ sagte die internationale Organisation für Pressefreiheit.
„Wir verurteilen die von der usbekischen Regierung verfolgte Politik des Schweigens. Diese verursacht Gerüchte und schafft ein Klima des Terrors,“ erklärte Reporter ohne Grenzen.
Journalist Dmitri Iasminov und Kameramann Viktor Muzalevsky, beide vom russischen Sender REN-TV, versuchten am 14. Mai mit dem Auto nach Andidschan zu gelangen. Sie wurden einige Kilometer außerhalb der Stadt verhaftet und mehr als zwei Stunden festgehalten.
„Man zwang die beiden, nach Taschkent zurückzufahren. Nach unserem Wissen war es keinem Journalisten möglich über die Ereignisse in Andidschan zu berichten," teilte Marianna Maksimosky, die stellvertretende Nachrichtenredakteurin von REN-TV, Reporter ohne Grenzen mit. Auch der Russe Alexey Ivliev (NTV) wurde am 14. Mai vor Andidschan festgenommen. Er berichtete: „Die Polizei konfiszierte die Papiere unserer Crew und eskortierte uns nach Taschkent zurück."
Seit dem 13. Mai gibt es in Usbekistan keinen Zugang mehr zu unabhängigen Nachrichten und Information. Ausländische TV-Kanäle, wie BBC, CNN oder Deutsche Welle, die per Kabel oder Satellit ausgestrahlt werden, sind gesperrt. Russische TV-Nachrichtensendungen auf NTV, ORT und Rossiya wurden durch Leerbilder und Musikclips ersetzt. An die Stelle der Nachrichtenmagazine der vier öffentlichen usbekischen Sender traten Beiträge über agrarwirtschaftliche Arbeit.
Die Pressekonferenz des Präsidenten Islam Karimov vom 15. Mai wurde in einer Dauerschleife gesendet. Auf dieser Pressekonferenz kritisierte das Staatsoberhaupt „Journalisten und ausländische Medien, die nur bezahlt werden, wenn sie sensationslustige
Nachrichten produzieren." Er lobte die Nachrichtenagentur Reuters für ihre relativ objektive Berichterstattung. Gleichzeitig prangerte er alle Journalisten an, „die wiederholen wollen, was sie in Osch (Kirgistan) oder Jalalabad sagten oder schrieben," sowie jene, die „mit angstvollen Augen zu Übertreibungen verleitet werden." Der Präsident rechtfertigte den Nachrichtenausfall folgendermaßen: „Ich kenne kein Land, das Journalisten den Zugang in bewaffnete Konfliktzonen erlauben würde."
Gleichzeitig erinnerte der usbekische Innenminister am 14. Mai daran, dass die Regierung das Recht hat, jederzeit die Zulassungen für ausländische Journalisten zurückzuziehen.
Die Behörden gaben bekannt, dass seit dem Beginn des Konfliktes in Andidschan 70 Menschen getötet wurden. Augenzeugen jedoch berichteten, dass mehr als 500 getötet und 2000 verletzt wurden, darunter viele Frauen und Kinder.
Weitere Informationen:
Reporter ohne Grenzen - Katrin Evers
Fon +49/30/615 85 85
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