Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert das vietnamesische Regime auf, den unabhängigen Journalisten Le Huu Minh Tuan sofort freizulassen. Der ehemalige Mitarbeiter einer Pressefreiheitsorganisation sitzt seit 2020 im Gefängnis und leidet an mehreren Krankheiten. Sein Gesundheitszustand hat sich nun offenbar deutlich verschlechtert. Trotzdem verweigern ihm die Gefängnisbehörden den Zugang zu Medikamenten. Damit ist er kein Einzelfall. In Vietnam sind inhaftierte Medienschaffende teils entsetzlichen Haftbedingungen ausgesetzt: Sie werden misshandelt, isoliert und bekommen keine ärztliche Versorgung.

„Le Huu Minh Tuan ist ein mutiger Journalist, der die Öffentlichkeit über Initiativen der vietnamesischen Zivilgesellschaft informiert hat. Er hätte niemals inhaftiert werden dürfen“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die internationale Gemeinschaft muss den Druck auf Hanoi erhöhen, damit Le Huu Minh Tuan aus medizinischen Gründen freigelassen wird, bevor es zu spät ist.“

Le Huu Minh Tuan verbüßt derzeit eine elfjährige Haftstrafe im Gefangenenlager Xuyen Moc im Südosten des Landes. Die Justiz wirft ihm „Propaganda gegen den Staat“ vor, ein häufig gegen unabhängige Medienschaffende genutzter Vorwurf des Regimes. Der Journalist leidet unter anderem an einer Erkrankung des Dickdarms und an Hepatitis. Trotzdem verweigern ihm die Gefängnisbehörden den Zugang zu Medikamenten, die ihm seine Familie geschickt hat und die ihm von Ärzten nach einem Krankenhausbesuch im November verschrieben wurden.

Vergangene Woche berichtete ein Angehöriger, der ihn im Gefängnis besucht hatte, über seinen besorgniserregenden Gesundheitszustand. Le Huu Minh Tuan sei nur noch „Haut und Knochen“ und „sehr blass“. Der 34-Jährige sagte laut Radio Free Asia, dass er „zu schwach ist, um noch mehr zu ertragen“, und dass er nicht mehr lange durchhalte.

Le Huu Minh Tuan war Chefredakteur der Independent Journalists Association of Vietnam (IJAVN). Die Organisation wurde 2014 gegründet, um der vietnamesischen Öffentlichkeit eine alternative Stimme zur Propaganda des Regimes zu bieten. Die Behörden sind unerbittlich gegen ihre Köpfe vorgegangen. Im Januar 2021 verurteilte ein Gericht in Ho-Chi-Minh-Stadt IJAVN-Präsident Pham Chi Dung zu 15 Jahren Haft und seinen Stellvertreter Nguyen Tuong Thuy sowie Le Huu Minh Tuan zu jeweils elf Jahren Haft.

In Vietnam werden inhaftierte Journalistinnen und Journalisten fast systematisch misshandelt und die Behörden verweigern ihnen die medizinische Versorgung. Im August 2022 starb der Blogger Do Cong Duong im Alter von 58 an den Folgen von Misshandlungen in Haft. Im September trat der freiberufliche Journalist Le Trong Hung in einen Hungerstreik, um gegen seine Haftbedingungen zu protestieren, und verlor elf Kilo.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Vietnam auf Platz 178 von 180 Staaten. Mindestens 36 Medienschaffende sitzen dort wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Nur in China, Myanmar und Belarus sind es noch mehr.