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Rangliste der Pressefreiheit — Platz 174 von 180
Internet Internetbericht 12.03.2014

ROG-Bericht „Feinde des Internets“: Behörden im Zentrum von Überwachung und Zensur

Reporter ohne Grenzen (ROG) hat den US-Geheimdienst NSA und dessen britisches Pendant GCHQ in die Liste der „Feinde des Internets“ aufgenommen. Das geht aus dem gleichnamigen ROG-Bericht hervor, den die Organisation zum Welttag gegen Internetzensur an diesem 12. März veröffentlicht. Insgesamt benennt er 32 Behörden und Institutionen weltweit, die eine zentrale Rolle bei der Unterdrückung kritischer Stimmen und unerwünschter Informationen im Internet spielen: Geheimdienste und Ministerien, aber auch Internetanbieter und Regulierungsbehörden einiger Länder. Damit lenkt der Bericht den Blick auf die oft wenig bekannten Bürokratien im Zentrum staatlicher Überwachungs- und Zensurapparate.

„Die zentrale Rolle von Behörden wie der NSA und dem GCHQ bei der flächendeckenden Überwachung von Millionen Menschen wiegt umso schwerer, als sie jeder westlichen Kritik an autoritären Staaten wie China, Saudi-Arabien oder Turkmenistan den Wind aus den Segeln nimmt“, sagte ROG-Vorstandsmitglied Matthias Spielkamp in Berlin. „Wer selbst massenhaft Bürger ausspäht, kann andere Regierungen kaum glaubwürdig zu mehr Achtung der Informationsfreiheit im Internet drängen.“

Die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden haben offengelegt, wie NSA und GCHQ vorsätzlich Sicherheitslücken in Software und IT-Infrastruktur eingeschleust und an Knotenpunkten des Internets die Kommunikation von Millionen unbescholtener Bürger abgefangen haben. Damit haben diese Geheimdienste das Internet zulasten von Menschenrechten wie Privatsphäre, Meinungs- und Pressefreiheit in ein Werkzeug überbordender Sicherheitsapparate verwandelt.

Weitere Feinde des Internets sind etwa Russlands Inlandsgeheimdienst FSB, Irans Oberster Rat für den Cyberspace und Chinas Internetinformationsamt, das die Zensurrichtlinien der Regierung in Peking entwirft. Ebenso stehen die äthiopische Netzwerksicherheitsbehörde INSA oder der staatliche turkmenische Telefon- und Internetanbieter TurkmenTelecom auf der Liste – allesamt Institutionen, deren Befugnisse im Laufe der Zeit weit über ihre legitimen Kernaufgaben hinaus ausgeweitet worden sind. Auf der Strecke bleiben dabei regelmäßig die Vertraulichkeit der Recherchen von Journalisten und Bloggern sowie der Schutz ihrer Informanten.

Dass gegen solche Entwicklungen auch Institutionen demokratischer Staaten nicht immun sind, die sich traditionell als Vorreiter beim Schutz bürgerlicher Grundrechte verstehen, zeigt neben NSA und GCHQ das Beispiel des indischen Centre for Development of Telematics, das im Regierungsauftrag zentrale Teile der staatlichen Überwachungsmaschinerie auf dem Subkontinent entwickelt hat. Doch auch Geheimdienste wie der Bundesnachrichtendienst und der französische Auslandsgeheimdienst DGSE, die selbst nicht auf der Liste der Feinde des Internets stehen, überwachen den Internetverkehr und arbeiten dabei etwa mit der NSA zusammen.

 
ÜBERWACHUNGSMESSEN ALS HANDELSPLÄTZE DER ÜBERWACHUNGSINDUSTRIE

Erstmals zählt ROG in diesem Jahr auch drei internationale Überwachungsmessen zu den Feinden des Internets: ISS World, Technology Against Crime und Milipol. Sie bringen die Behörden repressiver Staaten wie Saudi-Arabien, Äthiopien und Belarus mit Anbietern von Überwachungstechnologie zusammen – Firmen wie Hacking Team, Gamma International oder Blue Coat, deren Rolle ROG in seinem

letztjährigen Internetbericht in den Vordergrund stellte. Als Feinde des Internets firmieren diese Messen stellvertretend für die Rolle privatwirtschaftlicher Unternehmen bei der weltweiten Überwachung und Zensur des Internets.

Neben solchen Unternehmen stellen auch einige Staaten ihre Überwachungstechnologien anderen Ländern zur Verfügung. Russland etwa hat sein Spähprogramm

Sorm in Nachbarstaaten wie Belarus exportiert, wo Internetanbieter per Dekret zu seinem Einsatz gezwungen werden. China berät iranische Institutionen bei ihrem Versuch, ein nationales, vom weltweiten Netz abgeschottetes Internet unter vollständiger Regierungskontrolle aufzubauen.

Überwachung und Zensur sind in solchen Fällen oft eine direkte Reaktion auf die zunehmend wichtige Rolle von Bloggern, Bürgerjournalisten und Online-Medien für den Kampf gegen unterdrückerische Regime. Denn oft sind es gerade diese Stimmen, die Tabus und unliebsame Informationen in ihren Ländern zur Sprache bringen und die Lücken füllen, wo konventionelle Medien längst zum Schweigen gebracht wurden.

In Ländern wie Syrien, Vietnam, Turkmenistan und Bahrain ist die staatliche Hoheit über die Internet-Infrastruktur ein wichtiger Faktor für die Kontrolle von Online-Informationen. In Syrien und im Iran etwa wird das Internet immer wieder stark gedrosselt, um bei Demonstrationen die Verbreitung von Bildern zu erschweren. China, Syrien und Sudan haben den Internetverkehr in ihren Grenzen verschiedentlich vorübergehend ganz gestoppt, um die Verbreitung kritischer Informationen zu verhindern. Andere Länder zwingen Internetanbieter, unerwünschte Inhalte aus dem Internet zu filtern oder bestimmte Webseiten zu blockieren.

Auch Gesetze dienen oft als Instrumente der Internetzensur. Ein Beispiel ist das „Dekret 72“, das in Vietnam seit dem vergangenen September die Verbreitung von Nachrichten oder Kommentaren zum Zeitgeschehen in Blogs und sozialen Netzwerken verbietet. Ein weiteres beliebtes Mittel der Zensur ist eine Lizenzpflicht für Nachrichtenwebseiten. Sie erlaubt etwa den Behörden Usbekistans und Saudi-Arabiens, von vornherein nur handzahme Onlinemedien  zuzulassen.


DIGITALE GRUNDRECHTE WIRKSAM SCHÜTZEN

Angesichts solcher Bestrebungen fordert ROG Regierungen in aller Welt auf, uneingeschränkten Internetzugang und den Schutz persönlicher Daten wirksam als Grundrechte zu schützen - nicht zuletzt vor dem beliebigen Zugriff von Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten. Staatliche Maßnahmen der Kommunikationsüberwachung dürfen

nur aufgrund von Gesetzen und für rechtmäßige Ziele eingesetzt werden. Sie müssen nachweislich notwendig, angemessen und bei sorgfältiger Abwägung gegen die Schwere des Eingriffs in Privatsphäre und Meinungsfreiheit verhältnismäßig sein. Ferner müssen sie demokratischer Kontrolle unterworfen werden. Exporte von Überwachungstechnologie müssen ebenso wie andere „Dual Use“-Güter kontrolliert werden. Firmen, die solche Technologien in repressive Staaten an notorische Menschenrechtsverletzer liefern, müssen strafrechtlich verfolgt werden.



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