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Aserbaidschan

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 164 von 180
Aserbaidschan 01.09.2015

Lange Haftstrafe für Investigativjournalistin

Investigativjournalistin Khadija Ismajilowa ©picture alliance/AP Photo

Reporter ohne Grenzen ist empört über die Haftstrafe von siebeneinhalb Jahren  für die Investigativjournalistin Khadija Ismajilowa in Aserbaidschan. Ein Gericht in der Hauptstadt Baku befand die international bekannte Reporterin am Dienstag unter anderem der Untreue, illegaler Geschäfte und Steuerhinterziehung für schuldig. Die Staatsanwaltschaft hatte neun Jahren Haft gefordert. Richter Ramella Allahwerdijewa sprach Ismajilowa jedoch von dem Anklagepunkt frei, sie habe einen freien Journalisten in einen Selbstmordversuch getrieben.

„Khadija Ismajilowas einziges Vergehen war, dass sie mutig und beharrlich über Korruption und Vetternwirtschaft in höchsten Regierungskreisen recherchiert hat“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Das Urteil zielt eindeutig darauf ab, ein Exempel zu statuieren und alle Journalisten in Aserbaidschan einzuschüchtern. Spätestens jetzt darf es für die Bundesregierung kein business as usual mehr mit Aserbaidschan geben.“

Reporter ohne Grenzen setzt sich schon seit Dezember unter anderem mit einer Protestmail-Aktion für die Freilassung der Reporterin ein.

Ismajilowa ist für Recherchen über Geschäfte der Präsidentenfamilie bekannt

Ismajilowa ist für ihre Recherchen über die geheimen Geschäfte der Präsidentenfamilie und ähnlich brisante Themen bekannt. Um sie zu diskreditieren, lancierten regierungsnahe Medien 2012 und erneut 2013 Videoaufnahmen im Internet, die angeblich die Journalistin in ihrem Schlafzimmer beim Sex zeigten.

Anfang Dezember 2014 wurde Ismajilowa schließlich in Baku verhaftet und seither in Untersuchungshaft festgehalten. Zunächst warf man ihr vor, sie habe in ihrer früheren Position beim aserbaidschanischen Programm von Radio Free Europe einen freien Journalisten in einen Selbstmordversuch getrieben. Dieser zog jedoch seine Anschuldigungen zurück und gab an, er habe sich durch staatlichen Druck zu einer Falschaussage hinreißen lassen. Daraufhin wurde Ismajilowa zusätzlich wegen Steuerhinterziehung und illegaler Geschäfte angeklagt.

Im Prozess lehnte das Gericht fast alle Beweisanträge der Verteidigung ab. Teilweise wurde das Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Mit der Begründung, dass im Gerichtssaal kein Platz sei, wurde Familienangehörigen, Freunden und unabhängigen Medien der Zugang verweigert. Laut Medienberichten war der Raum jedoch vollbesetzt mit eigens angeworbenem Publikum. Ihr Schlussplädoyer konnte Ismajilowa am Montag nicht vollständig vortragen, weil der Richter ihr das Wort abschnitt, als sie auf die Ergebnisse ihrer Recherchen über die Familie von Präsident Ilcham Alijew zu sprechen kam.

Freier Journalist und Medienrechtsaktivist wird zusammengeschlagen und stirbt

Nachdem die aserbaidschanische Regierung schon seit Jahren die Spielräume für Medien und Journalisten immer weiter einengte, hat sie seit dem Sommer 2014 im Zuge einer beispiellosen Repressionswelle praktisch alle verbliebenen Oppositionsmedien und unabhängigen Journalisten zum Schweigen gebracht. Derzeit sitzen in Aserbaidschan acht Journalisten und vier Blogger wegen ihrer Tätigkeit im Gefängnis. Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Aserbaidschan Platz 160 von 180 Staaten.

Am 9. August 2015 starb in einem Krankenhaus in Baku der freie Journalist Rasim Alijew, nachdem er tags zuvor in einen Hinterhalt gelockt und zusammengeschlagen worden war. Alijew gehörte zu den führenden Köpfen des Institute for Reporters’ Freedom and Safety, einer ROG-Partnerorganisation, die im August 2014 unter Druck der Behörden schließen musste.

Bundesregierung sieht keinen Anlass zur Unterstützung von Exil-Medien

Das Nothilfereferat von ROG hat in den vergangenen Monaten zahlreiche Journalisten aus Aserbaidschan unterstützt, darunter den Fotoreporter Mehman Husejnow. Der Familie des in Aserbaidschan inhaftierten Journalisten Rauf Mirkadirow hat ROG geholfen, die Türkei zu verlassen und in die Schweiz überzusiedeln, wo sie Asyl erhalten hat. Auch mit der Familie von Khadija Ismajilowa steht ROG in Kontakt.

Das Bundesaußenministerium sieht indes keinen Anlass, unabhängige Medien für Aserbaidschan zu fördern. „Ihr Projekt entspricht nicht der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung in Aserbaidschan”, beschied es vor wenigen Monaten dem Gründer des in Berlin ansässigen Exil-Fernsehsenders Meydan TV, Emin Milli, auf dessen Bitte um Projektförderung. 



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