Aus: Fotos für die Pressefreiheit 2022
Lage der Pressefreiheit in Aserbaidschan
Mordversuch auf offener Straße, Schikane von Angehörigen: Der aserbaidschanische Präsident Alijew und dessen Anhänger verfolgen ihre Kritiker unerbittlich – wenn es sein muss bis ins Ausland. Ein neues Gesetz soll nun die Zensur von unliebsamen Medien und Informationen legalisieren.
Mehr als zehn Mal stach der Attentäter zu, der den aserbaidschanischen Video-Blogger Mahammad Mirzali im März 2021 am helllichten Tag mitten in der französischen Stadt Nantes angriff. Der Journalist überlebte nur dank einer sechsstündigen Notoperation. Doch auch danach erhielt der 27-Jährige, der bereits 2016 aus seiner Heimat geflohen war, weiterhin Morddrohungen von Landsleuten. „Wir können dich ohne Probleme töten. Wenn Du unsere Schwestern weiter beleidigst, dann bringt dich ein Scharfschütze mit einem Kopfschuss um“, hieß es in einem Brief.
Auf seinem Youtube-Kanal „Made in Azerbaijan“ kritisiert Mirzali immer wieder den autokratisch regierenden Präsidenten Ilham Alijew sowie dessen Frau und Stellvertreterin Mehriban Alijewa. Nach dem schweren Messerangriff appellierte Reporter ohne Grenzen (RSF) an die französische Regierung, den Journalisten unter Polizeischutz zu stellen.
Machthaber Alijew jedoch wies jegliche Verantwortung für den Mordversuch an Mirzali von sich– genauso wie für die Verfolgung anderer Kritiker seiner Regierung, die im Ausland leben. Stattdessen kritisierte er in einem Interview mit dem französischen Nachrichtensender France 24 die „voreingenommene Haltung“ von RSF und den „sehr unfairen Umgang mit Aserbaidschan“.
Doch der Angriff auf Blogger Mirzali ist kein Einzelfall. Seit 2014 geht Alijew unerbittlich gegen seine verbliebenen Kritiker vor. Unabhängige Medien wie die Zeitungen Azadlig und Zerkalo wurden wirtschaftlich ausgetrocknet, andere gewaltsam geschlossen. Die Regierung zensiert die wichtigsten nichtstaatlichen Online-Nachrichtenportale und ließ dutzende Journalisten mit der Spionage-Software Pegasus überwachen.
Lassen sich Medienschaffende nicht einschüchtern, schikanieren Behörden deren Familienangehörige – etwa durch Cybermobbing. „Das Regime versucht, seine repressiven Methoden über seine Grenzen hinaus zu exportieren, besonders in Europa“, warnt RSF-Generalsekretär Christophe Deloire. „Diese Situation ist äußerst besorgniserregend für unsere Demokratien, die auf diese Einmischung entschlossen reagieren sollten.“
Am 30. Dezember verabschiedete das aserbaidschanische Parlament ein Gesetz, das die Zensur legalisiert. Es sieht unter anderem ein Register für Medienschaffende vor, außerdem einen einheitlichen Presseausweis, ohne den Journalisten künftig keinen Zugang mehr zu offiziellen Informationen erhalten. Informationen aus inoffiziellen Quellen dürfen nicht mehr verbreitet werden. Das wirkt sich auch auf aserbaidschanische Medien im Ausland aus: Sind diese nicht in Baku registriert, dürfen ihre Korrespondenten auch nicht mehr von dort berichten – und somit keine Informationen über die tatsächliche Lage im Land liefern.
Das neue Gesetz verletzt nicht nur die Verfassung von Aserbaidschan, sondern auch die Europäische Menschenrechtskonvention. RSF forderte daher vom Europarat, darauf zu bestehen, dass die Regierung in Baku das Gesetz überarbeitet.
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