Aus: Fotos für die Pressefreiheit 2022
Lage der Pressefreiheit im Irak
Medienschaffende im Irak riskieren ihr Leben, wenn sie über Proteste, Korruption oder soziale Missstände berichten. In der Autonomen Region Kurdistan verfolgen die herrschenden Familien ihre Kritiker besonders erbarmungslos. Selbst vor Schikane untereinander schrecken die Clans nicht zurück.
Im Dezember erhielt der TV-Reporter Hamid Majed in der Stadt Habbaniyah die Einladung, auf einen Kaffee in die Kriminaldirektion der Provinz Anbar zu kommen. Man wolle ein „wichtiges Thema“ mit ihm diskutieren. Doch als der Mitarbeiter von Al-Ahd TV dort eintraf, wurde er festgenommen. Vermutlich hänge Majeds Verhaftung mit dessen Berichten über die sich verschlechternde Lage in Anbar zusammen, vermutet der Sprecher des Senders.
Medienschaffende im Irak riskieren ihr Leben, wenn sie über Proteste, Korruption oder andere Missstände berichten. In allen Landesteilen werden sie bedroht, verhaftet oder angegriffen. In der Autonomen Region Kurdistan im Norden des Irak befinden sich fünf Journalisten in Haft. Einer von ihnen ist Qahraman Schukri: Ein nicht-öffentliches Gericht hat ihn im Juni zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil er die Behörden im kurdischen Teil Iraks kritisiert habe. Er ist der Sohn von Schukri Zain al-Din, einem Reporter des kurdischsprachigen TV-Senders KNN Television, der 2016 unter ungeklärten Umständen getötet wurde.
Ein Gericht in Erbil wiederum hatte im Februar die drei freien Journalisten Scherwan Scherwani, Ayaz Karam und Guhdar Zebari wegen „Destabilisierung und Gefährdung der Region“ zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Scherwani sagte jedoch, sie hätten ihre Geständnisse unter Folter abgelegt. Kurz vor seiner Verhaftung hatten Staatsvertreter dem regierungskritischen Journalisten vorgeworfen, von ausländischen Geldgebern finanziert zu werden und „den Staat zu destabilisieren“ – ein Vergehen, das im Irak mit einer lebenslangen Haftstrafe geahndet werden kann. Im September schlossen er und seine zwei Kollegen sich dem Hungerstreik der „82 Gefangenen von Dohuk“ an, einer Gruppe kurdischer Aktivisten und Bürger, die im Oktober 2020 bei Protesten in der Stadt Dohuk festgenommen worden waren.
Ein weiterer Journalist aus Kurdistan, Omed Baruschki, saß bereits mehr als ein Jahr im Gefängnis, als ein Gericht seine Haftstrafe im September um ein weiteres Jahr verlängerte: Er habe die Behörden durch kritische Beiträge in den Sozialen Medien „verleumdet“ .
Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die kurdischen Behörden auf, alle derzeit inhaftierten Journalisten unverzüglich freizulassen. „Diese Reporter werden unter erfundenen Anschuldigungen festgehalten und gefoltert, um Geständnisse zu erpressen“, sagte Sabrina Bennoui, die Leiterin des Nahost-Abteilung von RSF in Paris. Darauf reagierte die Kurdische Regionalregierung mit der Behauptung, dass „die Verurteilungen nichts mit der journalistischen Arbeit der Angeklagten zu tun haben“ und dass sie „die Unabhängigkeit der Justiz respektiere“.
Tatsächlich scheint es kaum Grenzen bei der Verfolgung von Medienschaffenden zu geben, wenn sie die herrschenden Familien in Kurdistan kritisieren. Auch untereinander schrecken die Clans nicht vor Schikane zurück: In der Großstadt Sulaymaniyah durchsuchten im Juli die Sicherheitskräfte der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) den neuen TV-Kanal iPlus, der wenige Tage später offiziell auf Sendung gehen sollte. Der Sender gehört Lahur Talabani, der sich mit seinem Cousin, dem PUK-Chef Bafel Talabani, überworfen hat. Das Metro Center, eine irakisch-kurdische NGO, die sich für die Rechte von Medienschaffenden einsetzt, berichtete, dass 50 maskierte Männer in die Redaktion eingedrungen waren, die Ausstattung zertrümmert und einige der Mitarbeitenden geschlagen hätten, bevor sie den Sender schlossen.
Nur zwei Tage zuvor hatten Sicherheitskräfte das Bagdad-Büro des russischen Auslands-TV-Kanals RT durchsucht und geschlossen. Sie beschlagnahmten die Ausstattung des Senders und nahmen den RT-Korrespondenten für Bagdad, Ashraf al-Azzawi, vorübergehend fest – angeblich sei seine Arbeitsgenehmigung abgelaufen. Zu den Gründen derRazzia und der Schließung des Büros gaben die Behörden keine Erklärung ab.
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