Deutschland 07.10.2016

Gutachten bestätigt Kritik am BND-Gesetz

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Anlässlich eines neuen technischen Gutachtens fordert Reporter ohne Grenzen den Bundestag auf, die Pläne für das neue BND-Gesetz unverzüglich zu stoppen. Das heute erschienene Gutachten für den NSA-Untersuchungsausschuss des Chaos Computer Clubs (CCC) belegt, dass der Bundesnachrichtendienst damit zu einer großflächigen Überwachung deutscher Bürger ermächtigt würde, wovor auch deutsche und ausländische Journalisten nicht geschützt werden könnten.

„Nachdem renommierte Juristen das neue BND-Gesetz bereits als evident verfassungswidrig eingeordnet haben, hält das rechtliche Konstrukt auch der technischen Realität nicht Stand: Es ist unmöglich, bei einer globalen Massenüberwachung zwischen deutschen und nicht-deutschen Bürgern zu trennen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Abgeordneten des Bundestages müssen erkennen, dass dieses Gesetz die Grundrechte der Bürger verletzen wird. Es zu verabschieden, ist ein offener Bruch mit unserer Verfassung.“

Die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD planen, die bisher rechtswidrige Abhörpraxis des BND bald zu legalisieren. In der sogenannten Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung soll der BND die gesamte Kommunikation erfassen dürfen, wenn davon keine EU-Bürger betroffen sind und sich die Teilnehmer außerhalb der EU befinden. Das Gutachten des CCC bestätigt jedoch, dass diese juristische Unterscheidung technisch nicht zu realisieren ist. Durch die globale Struktur des Internets und die Art der Übertragung ist es unmöglich herauszufinden, welchen Weg Kommunikationsströme nehmen und wo sich die Telekommunikationsteilnehmer befinden. In der Konsequenz erhält der BND selbstverständlich auch Daten über Deutsche und EU-Bürger, wenn er Glasfaserkabel anzapft.

Massive Kritik am Gesetzentwurf

Die Große Koalition möchte am 21. Oktober die sogenannte Reform des Bundesnachrichtendienstes im Bundestag verabschieden. In den vergangenen Wochen hatten Experten im In- und Ausland den Gesetzentwurf massiv kritisiert, darunter auch die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, der Rechtsausschusses des Bundesrats und der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler. Zu den Kritikpunkten gehören zu vage Kriterien für die Auslandsüberwachung, die Diskriminierung nach Staatsangehörigkeit beim Grundrechtsschutz und das Fehlen einer wirksamen Aufsicht über den BND. Nach Einschätzung dreier UN-Sonderberichterstatter missachtet die geplante Reform internationale Menschenrechtsstandards.

Reporter ohne Grenzen hat gegen das BND-Gesetz zusammen mit einem internationalen Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen eine Online-Petition gestartet, die den Koalitionsfraktionen vor der geplanten Verabschiedung übergeben werden soll und weiterhin unterschrieben werden kann. Zu den Unterstützern gehören unter anderem Amnesty International, PEN International, der Europäische Journalistenverband EFJ und der Weltverband der Zeitungsverleger (WAN-Ifra). Zuletzt hat sich dem Bündnis der Deutsche Anwaltverein angeschlossen, der rund 66.000 Rechtsanwälte vertritt.

Deutschland steht auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 16 von 180 Ländern. Im vergangenen Jahr hat Reporter ohne Grenzen bereits eine Klage beim Bundesverwaltungsgericht gegen bestimmte Überwachungspraktiken des BND eingereicht.



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