Zum Weltfrauentag: Verfolgte Journalist*innen
Gamze Kafar ist Teilnehmerin des Auszeit-Stipendiums von Reporter ohne Grenzen und lebt seit wenigen Wochen in Berlin. In der Türkei schrieb sie für die feministische kurdische Nachrichtenagentur JINHA, in der ausschließlich Frauen arbeiteten. 2016 wurde JINHA von der türkischen Regierung geschlossen. Seitdem läuft in ihrer Heimat ein Gerichtsverfahren gegen Gamze. Michelle Demishevich kommt ebenfalls aus der Türkei. Aufgrund ihres Berufs als Journalistin und ihrer Identität als Transfrau wurde auch sie verfolgt. Mittlerweile ist sie in Berlin als freie Journalistin tätig und arbeitet unter anderem für die taz.
Anlässlich des Weltfrauentags am 8. März haben wir uns mit den beiden getroffen, um über die Arbeitsbedingungen im Journalismus für Frauen und Transgender-Personen zu sprechen.
Reporter ohne Grenzen (ROG): Wann haben Sie sich dazu entschlossen, Journalistinnen zu werden?
Michelle Demishevich: Als ich sechs Jahre alt war, kam eine serbische Journalistin in das Haus meines Großvaters, um ihn zu interviewen. Mich haben diese Frau und ihre Arbeit damals so beeindruckt, dass ich mich dazu entschloss, selbst einmal Journalistin zu werden.
GamzeKafar: Ich habe an der Universität mit dem journalistischen Schreiben angefangen. Mein Interesse am Journalismus bezieht sich vor allem auf Nachrichten, bei denen es um Frauen geht. Zum Beispiel war die Agentur JINHA, die inzwischen geschlossen worden ist, für mich ein Grund, Journalistin zu werden. Der Krieg in Syrien bewegte mich dann dazu, dort als Kriegsreporterin zu arbeiten. Jetzt lebe ich in Deutschland und kann nicht in mein Land zurückkehren. Aber egal wo ich bin - ich versuche immer, meinen Beruf weiter auszuüben.
ROG: Sie arbeiten als Frauen in einem nach wie vor männlich dominierten Sektor. Was sind Ihre Erfahrungen?
Demishevich:Als Transfrau im Journalismus zu arbeiten, ist wirklich schwierig und problematisch, weil das ganze System auf einer männlichen Identität aufbaut. Deshalb werden Journalistinnen mit einer Transfrauenidentität mit besonderen Problemen konfrontiert.
Kafar: Wir werden als Frauen in ein patriarchalisches System geboren und die ungleichen Bedingungen setzen sich ein Leben lang fort. Das bekommen wir als Journalistinnen in der Türkei besonders zu spüren. Türkische Frauen müssen in den verschiedensten Bereichen kämpfen. Der Zustand des Journalismus in der Türkei verschlechtert sich von Tag zu Tag. Daher müssen sich Journalistinnen doppelt behaupten.
ROG: Wie gehen Sie damit um?
Demishevich: Ich habe mich den Problemen und Schwierigkeiten immer gestellt. Meine Identität als Transfrau war dabei für mich von zentraler Bedeutung. Ich bin davon überzeugt, dass wir als Frauen sowohl für unsere Identität als auch im Beruf noch viele Kämpfe führen müssen.
Kafar: In unserem Bereich gibt es viele Frauen und wir haben genug Kraft, die Verhältnisse zu ändern. Aber dafür müssen wir weiterhin kämpfen. Es ist egal, wo wir arbeiten, ob im journalistischen Bereich oder anderswo, die Hauptsache ist, dass wir uns als Frauen immer weiter einsetzen. Meine Methode zu kämpfen besteht darin, dass ich sowohl mit meiner Arbeit als auch als Person sichtbar bin.
ROG: Wie kann die Gesellschaft Frauen und Transgender-Personen im Journalismus unterstützen?
Kafar: Meiner Meinung nach sollten alle Medien Verantwortung übernehmen. Sie können sich dieser Aufgabe stellen, indem sie systematische und organisatorische Veränderungen anstreben.
Demishevich: Unser Ziel besteht darin, die gläserne Decke zu sprengen. Wir müssen die Ursachen dieses ungerechten Systems zerstören. Nur so schaffen wir Gleichberechtigung im Journalismus.
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